01.03.2025 –  Noch nie in meiner Zeit als Radiomacherin – und die begann bereits vor vielen Jahren – gab es auf der Welt aufeinander folgend so viele Krisen und Kriege, die uns in Deutschland direkt betroffen haben. Angefangen bei Corona 2020 scheinen die schlechten Nachrichten bis dato nicht abzureißen.

Umso mehr ist es unsere Aufgabe als Radiomacher, den Hörern Erleichterung vom täglichen Wahnsinn zu bieten. Als „Schlechte-Laune-Benchmark“ haben wir sowieso mindestens einmal pro Stunde die Nachrichten.

Und auch diese werden immer öfter bewusst gemieden. Die Menschen haben die Nase voll von Runterziehern und gehen diesen aus dem Weg.

Seit 2017 befragt das Reuters Institute for the Study of Journalism im Rahmen seines Digital News Reports regelmäßig Mediennutzer auf der ganzen Welt, wie oft sie Nachrichten „aktiv meiden“. Der Anteil derjenigen, die oft oder gelegentlich ganz bewusst den Konsum von Nachrichten vermeiden, hat sich in den letzten Jahren mehr als verdoppelt! 2024 haben 69 Prozent der erwachsenen Internetnutzer in Deutschland angegeben, dass sie zumindest gelegentlich versuchen, die Nachrichten aktiv zu vermeiden. (Quelle: https://www.ssoar.info/ssoar/bitstream/handle/document/94461/ssoar-2024-behre_et_al-Reuters_Institute_Digital_News_Report.pdf)

Zum Glück macht Musik ca. 60 bis 80 Prozent einer Sendestunde am Tag aus. Morgens eher Richtung 60, tagsüber eher Richtung 80 Prozent.

Heute gilt umso mehr: die restliche Sendezeit sollte – außerhalb der Nachrichten und der Werbung – unter einem einfachen Motto stehen: Gute Unterhaltung. Das ist es, wofür wir – neben der Musik – eingeschaltet werden.

Kein anderes Medium wird so stark genutzt wie Radio, wenn es darum geht, Entspannung zu finden, schlechte Stimmung in gute zu verwandeln oder eine gute Stimmung aufrecht zu erhalten. In allen Marktforschungen, die ich kenne, ist das Wichtigste neben den wichtigen Musikdimensionen bei Musiksendern… Trommelwirbel… gute Stimmung, gute Laune sowie freundliche und herzliche Moderatoren.

Im Sinus-Infopaket Medien (S.269) kann man über alle Milieus hinweg nachlesen, warum die einzelnen Gruppen Medien wie TV und Radio nutzen: die Feststellung „Ich nutze Medien vor allem, um gut unterhalten zu werden“ bejahen insgesamt 79 Prozent. Die Feststellung „Ich nutze Medien hauptsächlich, um abzuschalten und zu entspannen“ bejahen 77 Prozent.

Wenn man alle diese Marktforschungsergebnisse zusammen nimmt, bleiben als Einschaltgründe für einen Musiksender:

  • Gute Stimmung zu erzeugen
  • Oder gute Stimmung zu verlängern
  • Bzw. schlechte Stimmung in gute umzuwandeln.

Zusammengefasst: es geht um gute Unterhaltung.

Heute mehr denn je. Gute Unterhaltung hat dabei viele Gesichter und viele Dimensionen. Radio ist schließlich 24/7 ein Gesamtkunstwerk.

Was Unterhaltung betrifft, sind die Radiohörer im Zeitalter der Aufmerksamkeits-Ökonomie immer anspruchsvoller geworden. Das bedeutet: nicht eine einzige Sekunde darf langweilig oder irrelevant sein.

Dieser Unterhaltungsanspruch ist sicher auch ein Grund für den Erfolg vieler junger Formate in der letzten MA: diese haben null Ambitionen, ihre Hörer mit Infos oder langweiligen Interviews zu langweilen und er ist auch der Grund für den Erfolg von BBC Radio 1 in der Zielgruppe 14-25. BBC Radio 1 hat hier einen Marktanteil von 50 Prozent…(!!!). Mal reingehört? Dort gibt es keine „Experten-O-Töne“, „Lokalinfos“ oder „aktuelle Interviews“. Dort gibt es Hits, Aktionen rund um die Musik und jede Menge Spaß und Unterhaltung.

Ich habe hier schon oft über das „Falsche Wort“ geschrieben. Diesmal formuliere ich es anders: wenn wir als Gattung weiterhin erfolgreich sein wollen, brauchen wir einen Unterhaltungsanspruch. Nun gibt es Unterhaltung 24/7 auf Streaming-Portalen, in den Sozialen Medien etc. Was also bedeutet Unterhaltung im Kontext eines Musiksenders?

  • Eine positive Ansprechhaltung.
  • Moderatoren, die eine Verbindung zum Hörer herstellen.
  • Content, der ein gutes Gefühl macht.
  • Content, der Spaß vermittelt.
  • Vermeiden von „Runterzieher-Themen“.
  • Null Sekunden Langeweile.

Hörer haben heute eine unendliche Auswahl an Audioformaten sowie unzählige Möglichkeiten, sich unterhalten zu lassen. Umso anspruchsvoller ist es, täglich gute und unterhaltsame Inhalte zu produzieren. Der nächste bessere Inhalt ist nur einen Klick weiter. Während wir vor 20 Jahren manchmal noch flapsig sagen konnten „das versendet sich“, versendet sich heute gar nichts mehr. Die Alternativen sind einfach zu zahlreich. Und es gibt keinerlei Notwendigkeit für unsere Hörer, sich von uns langweilen zu lassen.

Deshalb: prüfe jedes Thema, das du – gerade am Morgen – on Air schickst auf seinen Unterhaltungswert. Wir konkurrieren 24/7 mit allem. Mit dem besseren Song bei Wettbewerber A, mit einem lustigen TikTok Video und dem noch besseren Content bei Wettbewerber B.

Oder um den amerikanischen Kollegen Tracy Johnson zu zitieren: „Hörer… treffen emotionale Entscheidungen … Hörer mögen vergessen, was genau du gesagt hast, wie viele Songs du gespielt hast oder was die Top Story deiner Show war, aber sie werden sich daran erinnern, wie du sie fühlen hast lassen. Das ist der Unterschied zwischen Persönlichkeiten und DJs“.

Und wie wollen wir, dass unsere Hörer sich fühlen, wenn sie uns zuhören?

Gut!

In diesem Sinne: viel Spaß beim Produzieren guter Unterhaltung und des guten Gefühls.

Deine Yvonne

Erschienen am 01. März 2025 auf www.radiowoche.de.