29.02.2012 –
Oder wie Verkauf und Programm ein harmonisches Liebespaar werden:
Programm und Verkauf sind wie Mann & Frau: es geht nicht ohne einander – leider aber auch manchmal nicht miteinander… Dem Programm-Macher geht es um Reichweite, dem Verkäufer um Umsatz. Und beides brauchen wir.
Oft ist es jedoch so – das ist zumindest meine Erfahrung – dass zwischen den beiden Abteilungen alles andere als eine harmonische Beziehung besteht. Das Programm ist genervt von vielen Sales Promotions, die vermeintlich nur „stören“; der Verkauf ist genervt von den Widerständen aus dem Programm. Alltag im Radio – wie in einer ewig bestehenden Ehe, in der man sich mit ständigen Auseinandersetzungen abgefunden hat.
Ich bin der Ansicht, mit etwas Anstrengung von beiden Seiten – wie in einer guten Beziehung zwischen Mann und Frau – kann ein wunderbares Miteinander von Programm und Verkauf gelingen.
Vorab der Appell an beide Teile der Radio-Ehe Verkauf/Programm: lasst uns gemeinsam versuchen, ein homogenes Produkt aus Musik, Moderation und Sales Promotions on air zu haben. Das nützt unserem Quoten-Erfolg und das wiederum nützt dem Kunden, der mit seiner Sales Promotion im Idealfall ein Teil unseres erfolgreichen Radio-Produktes ist.
Dazu ein paar praktische Beispiele aus Programm-Verkauf-Beziehungskrisen, die alle ein Happy End hatten…
So erinnere ich mich an einen Hot AC-Sender, der seine Hörer zu einem Oldie- und Schlagerabend schicken sollte. Das war so verkauft. Eine Oldieparty präsentiert von einem Hitradio. In diesem speziellen Fall nicht nur ungünstig, sondern sogar ganz schlecht… Denn in diesem Falle – der Sender hat aus seiner Historie heraus „alte“ musikalische Images, die er für maximalen Erfolg unbedingt loswerden muss – schadeten die Begriffe „Oldie“ und „Schlager“ dem mühsam aufgebauten Hit-Image des Senders, sie passten außerdem nicht zum Produkt (Stichwort: Homogenität) und man spricht mit dem Wording „Oldie- und Schlagerabend“ auch kaum die Hit-affine Zielgruppe im Alter zwischen 19 und 39 Jahren an. Die Lösung war ein simples „aus der Not eine Tugend machen“: Der altbacken klingende „Oldie und Schlagerabend“ wurde einfach umgetauft. In eine „coole Retroparty“!
Und dann war der noch der Lokalsender, der Gutscheine eines ortsansässigen Metzgers verlosen sollte. Wie unsexy ist das denn? Die nächste Beziehungskrise zwischen Verkauf und Programm ist da ja praktisch vorprogrammiert! „Gewinnen Sie einen 50-Euro-Gutschein vom Metzger Meier“ ist – da werden mir auch Verkäufer zustimmen – nicht wirklich ein Hit.
„Wir bezahlen Ihren Osterbraten“ klingt schon etwas besser. Auch wenn nicht nur dem Programm, sondern auch dem Verkauf natürlich ein Werbespot noch lieber gewesen wäre… (aber Wunschkonzerte finden weder in Ehen statt noch in Radiosendern) Fazit: das richtige Wort am rechten Platz macht aus Omas Frottee-Unterhosen schon fast einen sexy Stringtanga.
Genauso wie das Wording sollte natürlich auch der Preis zur Zielgruppe des Senders passen und vor allem so massenkompatibel wie möglich sein. Ein LCD TV ist sicher ein toller Preis. Aber wie viel Prozent der Hörer brauchen gerade jetzt einen neuen Fernseher – vielleicht 5 %? Hingegen vervielfacht ein „Gutschein für den XY-Elektromarkt“ die Größe der Zielgruppe und das wiederum sollte auch Ihren Kunden erfreuen, der plötzlich das Mehrfache an Hörern für sein Gewinnspiel interessiert. Eine Win Win Situation für Programm UND Verkauf. Die erreichbare Zielgruppe ist größer, mehr Menschen machen mit und verändern für den Gewinn vielleicht sogar ihr Hörverhalten und hören länger oder zu einem anderen Zeitpunkt als sonst, was sich wiederum positiv auf die MA auswirken kann. Und für den Kunden steigt die Nachhaltigkeit und damit der messbare Erfolg der Werbebotschaft!
Also: die Größe der Zielgruppe des Preises ist eine für das Programm relevante Größe, die am Ende auch dem Verkauf und dessen Kunden nützt. Müsste ja auch dem Werbetreibenden einleuchten, dass mit einem frei verfügbaren Möbelgutschein mehr Hörer etwas anfangen können als mit einem Wasserbett. Und wenn die Relevanz des Gewinnspiels steigt wird die Werbebotschaft besser wahrgenommen. Wieder eine Win Win Situation.
Wie aber sieht nun die Realität zum Thema „Gutscheine im Radio“ aus Sicht des Verkaufs aus? Zuerst einmal ist der Kollege aus der Verkaufsabteilung vermutlich froh, anstatt eines Werbespots zumindest Gutscheine beim Kunden ergattert zu haben und ihm beweisen zu können, was Radiowerbung erreichen kann und wie flexibel der Sender ist.
Frei nach dem Motto „Steter Tropfen höhlt den Stein…“
Das ist so. Manche Sachen muss man seitens des Programms schlicht akzeptieren. Manche Dinge kann man aber mit guter Kommunikation mit dem Verkauf im Sinne des Programms beeinflussen. Zum Beispiel den Modus, mit dem die Gutscheine an die Hörer gebracht werden. Hier wäre es großartig, wenn der Verkauf sich bereit erklärt, bereits vorhandene Spiele bzw. Gefäße zu benutzen und damit zu vermeiden, dass sich der Kunde ein Gewinnspiel ausdenkt… Also: verlosen am besten durch einen einfachen bereits gelernten Modus oder „angedockt“ an ein Spiel, das sowieso schon auf dem Sender läuft. Als gut praktikabel hat sich außerdem erwiesen, wenn die Programm-Abteilung drei bis vier „Gefäße“ entwickelt (also Spiele oder kleine redaktionelle Benchmarks), die der Verkauf auf jeden beliebigen Kunden „drehen“ kann. Völlig egal, ob Metzger oder Elektromarkt.
Und wenn der Kunde jetzt aber etwas ganz Besonderes will? Quasi, etwas „Eigenes“? Dann achten Sie darauf, dass der Modus so einfach wie möglich ist und dass das Mitspielen immer und jederzeit möglich ist. Bitte bedenken Sie, dass wir ein „Nebenbei“-Medium sind, das bei der Arbeit nebenbei vor sich hin dudelt. Als Hörer schnappe ich also im Idealfall höchstens Splitter auf, wie z. B. „…einen 50-Euro-Gutschein für Ihren Osterbraten, wenn Sie mir sagen können….“ Selbstverständlich sollte jedes Spiel auch dem Preis angemessen sein.
Aus einer simplen Gutschein-Aktion eine TSL-Aktion machen zu wollen, so etwas wie „Warten Sie, bis Sie den Osterhasen durchs Programm hüpfen hören“ schadet mehr als es nützt. Das macht mich als Hörer eher sauer, weil ich sicher keine Lust habe, mein Leben für den Rest des Tages zu ändern, nur um einen Osterbraten zu gewinnen. Als Hörer habe ich auch sicherlich keine Lust und Zeit, meine Arbeit auch nur eine einzige Stunde lang unaufmerksam zu erledigen, weil ich ja auf den Osterhasen warte.
Apropos Verlosung: am besten ist ein gelernter Modus. Wenn der Sender z. B. schon öfter eine Art „Dingsda“ gespielt hat, könnte es für unseren Metzger ein „Essens-Dingsda“ geben. Sinn macht auch, das Spiel an die Charaktere der Morgensendung anzupassen. Vorbildliche Umsetzung einer Kundenanfrage bei BB Radio: Der Sender sollte die Premiere des Queen-Musicals „We Will Rock You“ in der besten Sendezeit promoten. Die Umsetzung wurde an Persönlichkeits-Images des Morgenshow-Anchors Markus Kaiser aufgehängt. „Der Kaiser“ soll u.a. als sympathischer Familienpapa rüberkommen. Also machte man eine Art Karaoke mit seiner 5-jährigen Tochter. Die Kleine sang Queen Hits nach und wer erriet, um welchen Hit es sich handelt, konnte gewinnen.
Wieder eine Win Win Situation: unterhaltsames Spiel mit zwei wichtigen Komponenten des Senders im Mittelpunkt: Musik und Morgenshowanchor. Wenn das Programm dem Verkauf so nette Aktionen anbietet, sollte es für den Verlauf auch kein Problem sein, an andere Stelle einen Kompromiss zu machen, zum Beispiel auch mal einen Kundenwunsch abzulehnen. Kürzlich erlebt: ein Kunde bestand für eine Sonderwerbeform auf Fragen zur Historie der Firma. Das war ein echter Abschaltfaktor. Und das Ratespiel hat auch dem Kunden nichts genützt, weil es weder unterhaltsam noch sympathisch war. Im Gegenteil. Komplizierte Fragespiele eignen sich nicht einmal für einen 1000 Euro Gewinn – für
eine kleine Sales Promotion also schon gar nicht.
Wir haben nicht die Lizenz zum Langweilen!
Der Hörer ist ganz schnell am Umschaltknopf (gerade im Auto…) und letztlich schadet es auch dem Kunden, wenn sein Spiel langweilig und unsexy rüberkommt… Ein Faktor ist bei Sonderwerbeformen, die innerhalb des Programms vom Moderator präsentiert werden, nicht zu unterschätzen: der Spaß- Faktor des Präsentators. Natürlich haben wir nur Profis am Mikro. Aber es könnte ja sein, dass die Moderatoren eine spaßige Aktion mit Unterhaltungswert deutlich besser rüberbringen als ein Fragespiel zur Unternehmenshistorie des jeweiligen Werbekunden… Könnte sein, oder? Platz 1 im „Sales-Promo-Spaß-Faktor-Ranking“ ist natürlich eine Personality Geschichte, die den Moderator promoted – siehe oben.
Ach und noch eine kleine Bitte an alle Ehepartner
Zeigen wir im Verkauf und im Programm Rückgrat, machen wir uns nicht kleiner, als wir sind! Nur weil wir z. B. ein kleiner Lokalsender sind, müssen wir nicht Kaffeepäckchen und Teebeutel verlosen (alles schon da gewesen), nur weil es der Kunde will. Wir sind schließlich kein Kramladen.
Deshalb kann es sogar in Einzelfällen klüger sein, auf einen kleinen Umsatz zu verzichten. In einer gut funktionierenden Ehe muss man schließlich auch mal „Nein“ sagen können, um am Ende dauerhaft glücklich zu sein.
Herzlichst,
Ihre Yvonne Malak
Erschienen am 29. Februar 2012 auf www.radiowoche.de.