15.09.2007 –
Oder warum Weglassen manchmal besser ist!
„…ja, das war für uns alle ein trauriger Tag“. Ramp startet. Moderatorin schaltet um von betroffen auf fröhlich: „Und jetzt gut gelaunte Popmusik, die den Feierabend schneller kommen lässt und nach einem harten Tag für neue Energie sorgt. Hier ist Gwen Stefani“.
Es ging um den Todestag von Lady Diana. Die erwähnte Moderatorin wollte betroffen klingen und hat oben erwähnten Break sicher in bester Absicht vorbereitet. Viele Kollegen wollten diesen Gedenktag in Moderationen aufgreifen und viele haben dies sicher auch sehr gut gemacht. Mit den richtigen Worten in einem dazu passenden Tonfall. Im Ohr bleiben aber die, die ein merkwürdiges Gefühl hinterließen, weil es ihnen nicht gelungen ist, angemessen „aus der Nummer rauszukommen“.
Ob zum Jahrestag der Oderflut („Wir wünschen heute allen damals Betroffenen, einen trockenen Nachhauseweg“ – nicht erfunden, tatsächlich gehört!), dem Todestag von Prinzessin Di oder bei der schnell aus der dpa gezogenen Meldung zum gerade eben von der Polizei veröffentlichten Tod eines vermissten Mädchens: leider schaffen es nicht alle Moderatoren, diese Meldungen angemessen rüberzubringen – in Wortwahl und Ansprechhaltung – bzw. ein „würdiges“ Ende für eine solche Geschichte zu finden. Es ist aber auch so ziemlich das Schwierigste, was man sich vornehmen kann. Es braucht dazu verdammt viel Erfahrung, Routine und ein extrem gutes Gespür für die Situation und die Gefühle der Hörer.
Ein positives Beispiel habe ich nach dem Tod von Luciano Pavarotti bei gleich zwei Sendern in Bayern gehört: bei Sender Nummer 1 hat der Moderator in angemessenem Tonfall die Fakten moderiert und einen Stinger gespielt „Besser informiert mit….“. Bei Sender Nummer 2 hat der Moderator ebenfalls in zwei Sätzen die Info zum Tod Pavarottis rübergebracht und auf die Nachrichten geteast. Angemessen, sachlich, mit einer adäquaten Überleitung (Stinger, Werbesounder bzw. neutrale Station ID). Bei beiden Sendern haben es die Moderatoren auch geschafft, Ihre Ansprechhaltung dem Ereignis anzupassen und komplett umzuschalten von „Gute- Laune- Morgenmoderator“ auf Info- Sound. Beide Moderatoren haben um diese Meldung herum auch nicht den Sender positioniert, die eigene Show promoted oder den nächsten Song verkauft. Ein Break mit einer solchen Meldung ist auch wirklich kein Platz zum Senderverkaufen oder Slogan benutzen.
Ein Beispiel, das in Anmutung und Ansprechhaltung nicht angemessen war und bei dem Text und Ton bzw. Sound nicht zusammengepasst haben, war eine vom Moderator textlich tragisch angehauchte Meldung nach dem Urteil im Prozess gegen den Mörder des kleinen Mitia. Die Moderation lautete: „Sie alle erinnern sich an den tragischen Tod des kleinen Mitia. Der Junge wurde erst missbraucht und dann brutal ermordet. Heute nun wurde das Urteil im Prozess gegen Mitias Mörder gesprochen…“ Es folgte ein Newsteaser. So weit so gut. Das Problem war aber: unter der Moderation lag schon der Ramp des nächsten Titels. In diesem Fall ein rhythmischer, energiegeladener Gute- Laune- Song. Entweder der Sender hat für solche Fälle passende Musikbetten bzw. Newsteaser Verpackungen oder aber man macht eine solche Moderation trocken.
Drei Faktoren sind entscheidend dafür, ob derartige Meldungen den gewünschten Effekt erreichen oder ein komisches Gefühl beim Hörer hinterlassen (im allerschlimmsten Fall wäre das „Fremd- Schämem“). Wichtig ist erstens ein passender Einstieg: in jedem Fall ist der Einstieg zu einer Meldung, die von Tod oder Naturkatastrophen handelt keinesfalls ein Platz, um z.B. einen Musiksender zu positionieren („Wir spielen die Hits“ hat vor der Meldung zu einem Todestag einfach nichts zu suchen…). Zweitens erfordern solche Breaks eine adäquate Ansprechhaltung; eine Ansprechhaltung, die sich deutlich z.B. von einer Musikmoderation unterscheidet. Und drittens braucht man einen angemessenen Ausstieg – einen Schluss, der nicht ansatzweise peinlich ist und der alle Hörer „abholt“. Der dritte Faktor ist meiner Ansicht nach der Allerwichtigste. Mein Tipp: Wenn Sie nicht wissen, wie Sie „aus der Nummer rauskommen“, gehen sie gar nicht erst in die Geschichte rein. Wegen einer nicht stattgefundenen Meldung hat noch kein Sender dieser Welt Hörer verloren. Aber Hörer schalten um bei Meldungen, die am Ende peinlich rüberkommen und ein schales Gefühl hinterlassen.
Hörer schalten auch um bei Meldungen, die auf dem Sender nicht wirklich Sinn machen, weil sie sinngemäß vom umgefallenen Reissack in China handeln oder weil am Schluss eine dermaßen krampfhafte Überleitung zur nächsten Musik zusammengeschustert wird, dass es einfach nur albern klingt.
Wenn Sie nicht ein Meister der Punchlines sind oder immer einen 100% runden und angemessenen Ausstieg aus „bunten Meldungen“ finden: lassen Sie es! Ehrlich gesagt, interessiert mich als Hörer eines CHR Formats in Berlin auch nicht, dass in einer chinesischen Provinz ein Mann mit 11 Fingern entdeckt wurde, in Lechhausen in Bayern ein Dieb am Tatort versehentlich seinen Ausweis vergessen hat oder sich in Waldbronn im Ländle eine Mittelmeerpflanze angesiedelt hat, die sonst nur in südlichen Ländern wie Italien und Griechenland wächst. Vorzugsweise noch mit dem Ausstieg „da hat die Klimakatastrophe ja endlich mal was Gutes“ (übrigens ist auch dieser Ausstieg nicht erfunden). Natürlich gibt es jede Menge positive Beispiele von passenden bunten Meldungen, die der Sendezeit angemessen sind und mit einem runden Ausstieg zum Sender, zum Moderator und zur Tagesbefindlichkeit passen.
Wenn man als Moderator gerne etwas aus dem Bereich „Vermischtes“ in seiner Sendung haben will (etwas, das nicht unmittelbar mit der Show bzw. dem Thema der Show, der Tagesbefindlichkeit oder dem Sendegebiet zu tun hat) und man sich mit Ausstiegen schwertut, empfehle ich: am Ende eines Sinnabschnitts mit der Stimme nach unten, die Meldung akustisch abschließen, Pause machen und – wenn es passt – ID, Musicsell oder das nächste Thema. Bei emotional schwierigen Themen am besten mit einer neutralen produzierten Sender- ID abschließen und dann mit diesem Element und ohne Kommentar in den nächsten Song reingehen. Oder wenn es sich um ein aktuelles Thema wie den Todesfall eines Prominenten handelt: kurz einleiten, Newsteaser, evtl. ID spielen. Fertig. Übrigens: eine Uhrzeit geht immer als moderativer „Trenner“ zwischen zwei Themen.
Ein wichtiges Stilmittel für solche Situationen ist die Pause. Nicht alle Moderatoren haben den Mut zur Pause. Trauen Sie sich aber ruhig mal, ein oder zwei Sekunden „dead air“ zu produzieren. Sie geben dem Hörer damit ja auch die Gelegenheit das eben Gesagte zu verdauen, um dann aufnahmebereit für die nächste Information zu sein.
Manchmal tut man sich und dem Sender allerdings den größten Gefallen mit einer ganz simplen Maßnahme: WEGLASSEN.
In dieselbe Kategorie wie peinliche Ausstiege gehören für mich krampfhafte Überleitungen à la: „…..wurde ein Mann mit 6 Fingern an der linken Hand in einem Krankenhaus entdeckt, als er eine Verletzung am Daumen behandeln lassen wollte. Also ich werde jetzt meine FÜNF Finger der RECHTEN Hand nehmen und die nächste CD für Sie starten“.
Bitte nicht! Mit ähnlich „originellen“ Überleitungen könnte ich ganze Bücher füllen.
Ebenfalls sehr beliebt und meist überflüssig sind Überleitungen von „bunten Meldungen“ auf Musiktitel. Beispiel: „… hat es geschafft von A nach B in der Rekordzeit von…. zu segeln. Ob dieser Mann hier etwas mit Rekordzeiten am Hut hat, wissen wir nicht, aber er scheint das Segeln zu lieben. Hier ist Rod Stewart mit Sailing“. Dieser Kollege hätte sich und seinem Sender einen größeren Gefallen getan, wenn er eine nette Info zum Song rausgesucht und stattdessen auf die Meldung verzichtet hätte oder einfach tagesteilbezogen oder nutzenorientiert den Sender bzw. die Musik verkauft hätte. Oder – wenn die Meldung unbedingt sein muss: Meldung moderieren. Schlusssatz. Pause. ID. Nächster Song. Es gibt sicher noch x andere Modelle, um von A (Meldung) zu B (nächster Titel) zu kommen. Für meine Ohren aber ist eine krampfhaft konstruierte Überleitung aber die schlechteste Lösung.
Womit wir beim nächsten Thema sind, das meiner Meinung nach bei jedem Sender auf der roten Liste stehen sollte: das Spielen mit Songtiteln oder Zeilen aus einem Titel. Kein Hörer macht sich Gedanken darüber, was genau der Interpret da singt und er macht sich schon gar keine Gedanken darüber, was das auf Deutsch heißt. Dazu kommt, dass nicht jeder unserer Hörer zwingend englisch kann. Moderationen wie „Machen Sie’s wie Mike And The Mechanics und nehmen Sie ne weitere Tasse Kaffee“ (nach dem Song „Another Cup Of Coffee“) verursachen bei vermutlich 95% Ihrer Hörer nur ein „Hä??? Was wollen mir diese Worte sagen?“. Oder – erst diese Woche gehört – Moderationen wie: „Das würde ich mir jetzt auch wünschen, dass die Sängerin von Sixpense Non The Richer mich so auffordert“ (es folgte der Song „Kiss me“). Oder auch das Sinnieren über gerade Gesungenes wie „Ja, man könnte auch sagen, alles im Leben zahlt sich aus“ nach „Wir ernten, was wir säen“. Mein Tipp: Vor der Moderation überlegen, ob das, was man gleich sagen will, für alle Hörer 100% nachvollziehbar ist, auch für die, die gerade erst eingeschaltet haben. Erstens macht sich der Hörer über Songtexte keine Gedanken (und über englische erst recht nicht), zweitens schalten uns sekündlich neue Hörer sein und diese können nicht hellsehen, was da vor einer Minute möglicherweise gesungen wurde (zumal es sie vermutlich sowieso nicht interessiert, was in dem Song gerade textlich passiert ist).
Mein allerliebster Ausstieg ist allerdings (auch dieses Beispiel habe ich x mal gehört – zum Beispiel nach dem Versuch, etwas von sich persönlich zu erzählen): „Naja, ist ja auch egal“. Naja, wenn es egal ist, warum erzählt der Moderator es mir dann?
Um welche Art der Moderation es sich auch handelt: eine traurige Meldung von einem Todesfall, den Jahrestag eines tragischen Ereignisses wie den 11. September oder eine persönliche Geschichte – wenn Sie nicht sicher wissen, dass Ihr Schluss, Ihr Aussteiger angemessen ist und die Moderation zu einer runden Sache macht, die zu Ihrem Sender passt, verzichten Sie darauf. Noch nie hat ein Sender einen Hörer verloren, weil eine Mod- Meldung nicht stattgefunden hat und noch nie hat ein Hörer einen Moderator als peinlich empfunden, weil er eine persönliche Geschichte NICHT erzählt hat. Es gibt leider jede Menge Fettnäpfchen für Moderatoren, vor allem beim Versuch besonders witzig zu sein oder besonders betroffen zu wirken.
Natürlich gilt: wer nichts probiert, entwickelt sich auch nicht weiter und manchmal muss man als Moderator auch mal was riskieren. Gerade neue, unerfahrene Moderatoren dürfen sich selbstverständlich sich auch mal einen Fauxpas leisten (man muss schließlich alle Fehler einmal machen, um sie hinterher zu vermeiden zu wissen).
Dennoch: es gibt viele Gelegenheiten, da lohnt es nicht, ein Risiko einzugehen. Vor allem, wenn es um emotionale Geschichten und Betroffenheit geht, ist manchmal eine simple Maßnahme die beste: einfach weglassen.
Ihre Yvonne Malak
P.S. Wenn Sie sich nicht ganz sicher sind, ob Sie die geplante Geschichte angemessen rüberbringen, hilft vielleicht ein Beispiel aus dem Sport. Auch gute, geübte Golfer verzichten bei wichtigen Schlägen nie auf ihren Probeschwung….
Zuerst veröffentlicht am 15.09.2007 bei RADIOSZENE:
http://www.radioszene.de/news/myradio_mailbox_150907.htm