01.08.2013 – Wer täglich an der perfekten Radioshow arbeitet, weiß um die Unmenge von Details die dazugehören. Und er weiß, wie leicht man das eine oder andere dann doch vergisst. Viele dieser gerne übersehenen aber wichtigen Details begegnen mir in meiner Arbeit mit Moderatoren immer wieder – ich fasse Sie hier gerne für Sie zusammen:
Welche Zeit, welcher Ort, welcher Tag?
All das sollte man aus einer Sendung heraushören. Ich höre oft Sendungen, die formal o.k. sind – klasse Sound, gute Ansprechhaltung, gutes Energielevel, Format super verkauft etc. – und trotzdem „am Hörer vorbei senden“. Weil sie austauschbar sind und auch an einem beliebigen anderen Tag an einem anderen Ort in einem anderen Tagesteil hätten laufen können. All das – Tagesteilbezug, Tagesaktualität, Lokalkompetenz – lässt sich leicht in Moderationen einbauen, ohne Beiträge, Interviewpartner oder sonstigen großen Aufwand. In einer Show wenigstens einmal stündlich den aktuellen Tag abzubilden sowie den Tagesteil und die Region widerzuspiegeln ist zwar nicht einfach und erfordert viel Kreativität und Gefühl, aber das sind schon mal drei der vielen Punkte, die aus einem Ansager einen professionellen Moderator machen. Dabei ist es am einfachsten die Show in Tagesteil und Region zu „verorten“. Tagesaktualitäten kurz einzubauen, erfordert mehr Mühe und Kreativität. Und natürlich eignet sich nicht jede wichtige Info des Tages für die Integration in eine (kurze) Moderation eines Musiksenders. Aber mit etwas Kreativität bringt man doch eine ganze Menge der Dinge in der Show unter, die auch dem Hörer eines Musikformats das Gefühl geben, der Moderator weiß, was die Menschen in seinem Sendegebiet heute beschäftigt und worüber er mit seinen Kollegen bei der Arbeit spricht. Das kann das TV- oder Sportevent vom Wochenende sein, eine wichtige lokale oder regionale Geschichte, ein nationales Politikereignis oder ein internationaler Skandal. Wer es schafft, solche Tagesaktualitäten in ein, zwei Sätzen einfließen zu lassen, gehört für mich zu den besseren Moderatoren. Am besten noch mit einem …
… Mehrwert in der Moderation
Ich bin ein großer Fan davon, Hörer moderativ in ihrem Tagesteil abzuholen und aktuelle Befindlichkeiten kurz in Moderationen widerzuspiegeln (siehe auch: 10 Wege zum kreativen Musicsell – Lady Gaga, Phil Collins und den Senderclaim immer wieder anders verkaufen). Das genügt aber nicht auf Dauer. Moderation muss schon einen Mehrwert anbieten. Was kann das sein? Etwas zum Schmunzeln, also eine kurze Info plus Gag, eine Einschätzung oder Einordnung oder aber die kleine Zusatzinfo, für deren Auffinden wir ein paar Minuten mehr investiert haben, die aber einen Mehrwert hat. Mein Lieblings-Öffi-Sender bringt nicht nur Informationen zu politischen Ereignissen, er hilft mir, sie einzuordnen. Mein Lieblings-Kinoexperte berichtet nicht über den neuesten Film, sondern sagt mir auch ganz klar, wann ich mir das Geld fürs Kinoticket sparen soll und wofür sich die 10 Euro wirklich lohnen. Und mein Lieblingsmoderator sagt mir nicht nur, dass dieser Frühling extrem kalt ist, sondern hat auch noch herausgefunden, dass dieser späte Wintereinbruch eine Seltenheit ist, die nur einmal in 100 Jahren stattfindet, aber aufgrund der besonderen Wetterlage diesmal noch zwei weitere Wochen andauern wird. Diese Moderationen mit „Mehrwert“ müssen nicht lang sein! Das sind Kleinigkeiten, die man in 15 Sekunden abhandeln kann. Aber man hat es geschafft, dem Hörer etwas bemerkenswertes mitzugeben, das er vielleicht gleich den Kollegen bei der Arbeit weitererzählt. Und wenn wir es schaffen, dass der Hörer nach der Mittagspause zurück ins Büro geht mit den Worten „Die haben gerade im Radio gesagt, dass…..“ dann haben wir etwas wirklich gut gemacht!
Aber den kennt man doch!
Nein, tut man nicht. Wir Radiomacher leben in den Medien bzw. Unterhaltungsmedien und kennen deren Protagonisten. Der Hörer hat zu vielen dieser Menschen aber oft nicht mal ein Bild. Und dann sagen wir ihm in der Moderation manchmal noch nicht mal, von wem wir sprechen, bevor wir die Geschichte eines Künstlers o.ä. erzählen. Leslie Clio hat zwar gerade einen Megahit in den Charts. Wissen Sie aber, wie sie aussieht? Und wer ist Hayden Panettiere? Interessiert sich der geneigte Radiohörer wirklich dafür, dass sie bald Kinder haben will? Ich glaube, wir reden oft über Menschen, zu denen die Hörer kein Bild haben – und immer wenn das so ist, reden wir am Hörer vorbei. Gibt also zwei Möglichkeiten: den Menschen auf die Sprünge helfen („…die 1,55 m kleine amerikanische Schauspielerin, die jetzt gerade zum zweiten Mal mit dem Boxer Wladimir Klitschko zusammen ist…“) oder die Geschichte einfach weglassen.
In jedem Fall hat jeder Hörer verdient, „in den Break hineingeholt“ zu werden – im Zweifel also lieber einen halben Satz mehr zu dem Menschen sagen, über den wir reden, als „am Hörer vorbei zu sprechen“. Wenn Torsten Albig, Christine Lieberknecht oder Hermann Gröhe in den Nachrichten zitiert werden, erklärt uns der Redakteur ja auch erstmal, in welchem Amt sich der Zitierte gerade befindet. Alles andere würde bei vielen Menschen nämlich nur Fragezeichen hinterlassen.
Genauso wie die Annahme: Das wissen unsere Hörer doch längst
Nein, wissen sie nicht. Bis Ihre Hörer Ihr aktuelles Gewinnspiel verstanden haben, vergehen Wochen. Und auch nach 4 Wochen haben wir immer wieder neue Hörer und dazu jede Menge P1- und P2- Hörer, die den Modus des Gewinnspiels immer noch nicht verstanden haben, weil sie ihr Radio nur nebenbei nutzen, außerdem noch ein oder zwei andere Sender hören bzw. sich die Details einfach nicht merken wollen. Erst recht gilt das für Details aus dem Leben der Moderatoren, die man wissen muss, um z.B. eine Bemerkung oder eine Personality-Story zu verstehen. Bis Ihre Hörer z.B. wissen, wie alt in etwa das Kind des Morgenshowanchors ist, vergehen Monate wenn nicht Jahre! Wenn dieses Detail aber für das Verständnis einer Geschichte wichtig ist, muss man es erwähnen, sonst ist vielleicht die ganze Geschichte für den Hörer nicht nachvollziehbar.
Ich glaube, dass die Masse der Hörer in der Regel immer deutlich weniger Detailkenntnisse hat, als ich in vielen Moderationen als vorausgesetzt höre – das gilt für die Modi von Gewinnspielen genauso wie für Details aus dem Leben der Moderatoren-Persönlichkeiten und alle anderen senderspezifischen Informationen wie Sendezeiten von Benchmarks, Programmschemata, etc.
Hörernutzen nicht vergessen!
Der Hörer will wissen, was für ihn „drin“ ist, was er davon hat, was sein Nutzen ist. Diese Information gehört an den Anfang jeder Moderation, die ein Gewinnspiel promotet, teast oder erklärt oder die dem Hörer sonst irgendetwas verkaufen will. Wenn ich dem Hörer seinen Nutzen gleich in den ersten zehn Sekunden nennen kann, dann ist er doch viel eher „drin“ in meinem Break als wenn ich erst mal lang und breit eine Aktion erkläre und dann erst mit dem Hörernutzen „um die Ecke komme“. Sagen Sie dem Hörer, was er davon hat, wenn er Spiel A, Aktion B oder Sendung C einschaltet – und zwar möglichst sofort zum Einstieg.
Tagesaktualität, Details zu Personen, Gewinnspielen und Programminfos, Mehrwert in der Moderation sowie Hörernutzen (wenn vorhanden) – all das darf in einer Sendung bzw. einer einzelnen Moderation nicht fehlen. Gerne weglassen dürfen Sie aber diese Art von Moderation, die ich immer wieder höre und die jedes Mal ein komisches Gefühl beim Hören hinterlässt:
Der erhobene Zeigefinger
Beispiel – kürzlich gehört: „Viel Spaß beim Fußballgucken heute Abend, aber trinken Sie nicht zu viel Bier…“ Der „erhobene Zeigefinger“ in der Moderation passiert vielen Moderatoren schnell mal versehentlich im Eifer des Gefechts. Bringt aber leider eher Negativ-Punkte. Unsere Hörer wissen ja selbst, was sie anziehen müssen, dass zu viel Essen dick macht und zu viel Alkohol keine gute Idee ist.
Ich persönlich zucke beim Radiohören jedenfalls immer zusammen, wenn mir jemand aus dem Radio heraus sagen will, was ich tun oder lassen soll bzw. was gut für mich ist oder nicht. Ganz oft passiert das nebenbei – im letzten Satz, den der Moderator noch schnell an seine Geschichte hinten dran hängt. Meine persönliche Erfahrung; wenn man sich ein mal bewusst gemacht hat, was man eher weglassen sollte (weil Hinzufügen nicht gerade positiv für die persönlichen Sympathiewerte ist), passiert es kaum noch. Und wenn doch, merkt man es sofort. Einmal das Bewusstsein für die Dinge bekommen, die man eher weglassen sollte und man lässt sie in 95% der Fälle weg.
Und was ist mit den Dingen, die man eigentlich in jeder Show drin haben will? Wie kriegt man das hin, hier immer an alles zu denken? Ich sag’s Ihnen: das kriegt man fast nie zu 100% hin. Denn Moderator sein ist ein harter Job mit vielen zu berücksichtigenden Details. Und der perfekte Moderator denkt IMMER an ALLES, was zu einer perfekten Show gehört.
Und deshalb gibt es sie nie – die perfekte Show. Zum Glück!
Ihre Yvonne Malak
Erschienen am 01. August 2013 auf www.radiowoche.de.