02.01.2011 – Pünktlich zur MA-Frühjahrswelle ab 02. Januar 2011 gibt es sie wieder, die Gewinnspiele im Radio. Auf nahezu allen Sendern werden dann wieder Geldscheine gesucht oder Rechnungen bezahlt. Bei manchen Sendern gibt es auch Aufsehen erregende Aktionen wie „Die Braut, die sich was traut“. Hier muss die Braut im Brautkleid innerhalb von 12 Tagen vom Funkhaus ohne Geld bis ans Ende der Welt reisen, die am weitest gereiste Braut gewinnt ihre eigene Hochzeit.
Im Gespräch mit Radioberaterin Yvonne Malak wollen wir erfahren was der Hintergrund für diese Gewinnspiele ist und ob es allgemein gültige Regeln dafür gibt.
radioWOCHE: Seit der Jahrtausendwende gibt es besagte Gewinnspiele im Radio. Ist das eine rein deutsche Erfindung, oder kamen die Gewinnspiele aus dem Ausland zu uns?
Yvonne Malak: Viele der klassischen Major Promotions , wie z.B. „We pay you bills“ hat man doch tatsächlich vorher schon in den USA gehört….wie so vieles, was im Radio funktioniert.
radioWOCHE: Was wollen die Radiosender mit den Gewinnspielen erreichen?
Yvonne Malak: Das ist unterschiedlich und kommt einerseits auf die Problematik und Konkurrenzsituation eines Senders an, andererseits aber auch darauf, wie professionell dort – u.a. mit Marktforschung – gearbeitet wird. Mit Gewinnspielen will man z.B. eine Optimierung von bestimmten Images, z.B. in der Musik, erreichen. Oder man will mehr Hörer aus seinem Weitesten Hörerkreis in Stammhörer umwandeln. Oder man will versuchen, die Hördauer etwas zu verlängern, was aber in der Realität meistens Illusion ist. Zusammenfassend kann man sagen: Ziele von Promotions haben am Ende fast immer in irgendeiner Form mit der Einschaltquote zu tun.
radioWOCHE: Lassen sich mit Gewinnspielen wirklich Hörer kaufen?
Yvonne Malak: Ja und nein. Kurzfristig sicher ja. Kurzfristig kann man die 10% in einem Markt, die besonders gewinnspielaffin sind und dafür auch den Sender wechseln, an sich binden. Mit großen Bargeldgewinnen lassen sich immer zusätzliche Stammhörer aus dem WHK generieren – aber eben nur kurzfristig, solange das Gewinnspiel läuft. Parallel läuft man bei großen Gewinnspielen, die viel Raum im Programm einnehmen aber auch Gefahr, Hörer zu verlieren, die sich nicht dafür interessieren.
radioWOCHE: Gibt es ein Gewinnspiel, das immer funktioniert?
Yvonne Malak: Nein! Es macht auch nicht jedes Spiel bei jedem Sender Sinn. Es kommt darauf an, wie meine Problemstellung ist, ob mein Sender überhaupt für Gewinnspiele steht, welche Gewinnspiele welchem Sender zugerechnet werden und so weiter.
radioWOCHE: Macht es Sinn an einem gut funktionierenden Gewinnspiel festzuhalten, oder ist es besser auch mal ein anderes Gewinnspiel zu machen?
Yvonne Malak: Wenn eine Promotion für einen Sender gut funktioniert, mit dem Sender in Verbindung gebracht wird, gleichzeitig von den Hörern goutiert wird UND dazu noch eine hohe Mitmachquote hat – dann gibt es keinen Grund, das Spiel zu wechseln.
radioWOCHE: Was sind die unterschiedlichen Ziele von Gewinnspielen? Oder geht es letztlich immer um Hörerkauf?
Yvonne Malak: Natürlich will ich am Ende des Tages immer meine Einschaltquote optimieren, oder wie Sie es nennen, „Hörer kaufen“., Tatsächlich ist der Ansatz aber oft ein anderer. Angenommen, ich habe mein Produkt relauncht und will ab sofort als Sender für viele frische neue Hits wahrgenommen werden. Dann würde ich ein Gewinnspiel starten, das in irgendeiner Form mit aktuellen Hits zu tun hat. Hier geht es also auch im eine Imagekorrektur. Oder: ich habe einen starken Morgen, aber einen schwachen Vormittag. Dann könnte ich versuchen, eine Recycling-Promotion zu finden, die mir Hörer aus dem Morgen in den Vormittag schaufelt. Oder: ich will als Morgenshow wahrgenommen werden, die in ihrem Team die Mann/Frau-Thematik in den Mittelpunkt stellt, dann könnte ich eine inhaltliche Promotion designen, die in diese Richtung geht. Die Ziele der Gewinnspiele sind immer ein Resultat aus den Schwächen und Stärken meines Produktes sowie meinem Umfeld.
radioWOCHE: Können Gewinnspiele dem Sender auch schaden? Kann man sagen von welchen Gewinnspielen man lieber die Finger lassen sollte?
Yvonne Malak: Das kommt auf den Sender an. Wenn ich als biederes AC Format sage: die ersten 100, die morgen früh um 6 Uhr nackt an unserer Showbühne auftauchen, gewinnen 100 Euro, tue ich mir sicher keinen Gefallen. Alles, was man on air tut, bestimmt das Senderimage. Und deshalb sollte ich mir gut überlegen, welches Image ich brauche und haben will.
radioWOCHE: Wann sollten Radiomacher ein Gewinnspiel von der Antenne nehmen?
Yvonne Malak: Sicher nicht dann, wenn die Moderatoren es nicht mehr hören können – wir nehmen uns selbst viel zu wichtig und haben eine komplett andere Wahrnehmung als Hörer. Ehrlich gesagt, gibt es dafür keine allgemeingültige Regel. Ein gutes Gewinnspiel mit einem unterhaltenden Aspekt und kurzen Gewinnrunden kann von mir aus auch 12 Wochen laufen!
radioWOCHE: Es gibt eine Vielzahl von verschiedenen Gewinnspielen. Meist wird viel Geld verlost. Macht es auch Sinn kleinere Summen zu verlosen?
Yvonne Malak: Wenn ich als kleiner Sender aber gar keine andere Möglichkeit habe und mein Wettbewerber nicht gerade täglich 10.000 Euro verlost, macht es durchaus Sinn, öfter kleine Gewinne zu verlosen. Oder: ich habe ein größeres Budget und verlose statt 1000 Euro am Tag jeden Tag stündlich 100 Euro. Das ist absolut glaubwürdig, ich habe viele Gewinner on air, kann Hörer mehrfach gewinnen lassen und damit werben! Damit kann man genauso hohe Mitmach-Quoten erreichen, wie wenn man 100.000 Euro auf einmal verlost.
radioWOCHE: Muss es immer Geld sein?
Yvonne Malak: Naja, Geld ist immer mehrheitsfähig und jeder kann es gebrauchen. Wenn Sie die Anruferzahlen einzelner Promotions mit unterschiedlichen Preisen vergleichen, erreichen Sie nirgendwo sonst so hohe Mitmachzahlen wie bei Bargeldgewinnen. Manchmal geht das halt aus Budgetgründen nicht. Dann würde ich bargeldähnliche Preise versuchen. Von Gutscheinen, z.B. von kreativen Preisen, halte ich nicht viel. Wichtig bei einem Preis für eine Major Promotion ist dasselbe wie bei einem Musiktitel: er muss Männer und Frauen in meiner Zielgruppe genauso ansprechen und kompatibel im jüngeren und älterem Segment sein.
radioWOCHE: Auffallend ist es, dass die Gewinnspiele meist nur während den MA-Befragungszeiträumen stattfinden. Macht es Sinn, auch außerhalb der MA Zeiten Gewinnspiele zu machen?
Yvonne Malak: Ja klar! Alles, was Sie on air tun, kreiert Ihre Senderimages. Und: wenn Sie im April feststellen, dass Sie für Ihr Hitimage etwas tun müssen und Sie haben dafür eine gute Promotion Idee und ein Budget, wäre es fahrlässig, damit bis September zu warten…
radioWOCHE: Könnte es auch Sinn machen, eine MA Welle ganz ohne Gewinnspiele zu fahren?
Yvonne Malak: Klar! Mittlerweile gibt es einige Märkte, wo KEIN Gewinnspiel ein echter USP ist. Und wenn mein Mitbewerber zum Beispiel unter negativen Gewinnspiel-Images leidet, aber nicht mit Gewinnspielen aufhört, dann liege ich ganz weit vorne, wenn ich meinen Sender eine ganze Zeitlang gewinnspielfrei halte.
radioWOCHE: Wo sehen Sie die Zukunft des Radios? Werden die Radiosender auch in Zukunft mit Gewinnspielen um die Hörer buhlen oder gibt es schon neue Methoden um auf Hörerfang zu gehen?
Yvonne Malak: Es gibt mittlerweile andere zusätzliche Tools zur Hörerbindung, die von fast allen Sendern genutzt werden, wie z.B. Social Media. Aber die Strahlkraft, die ein attraktives Gewinnspiel mit einem tollen Preis und einer unterhaltenden Komponente hat, konnte bislang noch nichts ersetzen. Es gab in den letzten zehn Jahren jede Menge Versuche, das Rad bzw. Rad-IO neu zu erfinden, aber – zumindest meines Wissens nach – ohne Erfolg. Andererseits sind einige Märkte in Deutschland gewinnspielübersättigt. Also: ich denke, gute Gewinnspiele, die für die Sender funktionieren, wird es immer geben. Aber vielleicht werden mehr Sender USP „keine Gewinnspiele“ entdecken.
radioWOCHE: Vielen Dank für das Gespräch.
Erschienen am 02. Januar 2011 auf www.radiowoche.de.