23.11.2007 – Egal wo ich zwischen Bern und Berlin Radio höre: es passiert mir immer wieder, dass ich dem Moderator nicht folgen kann.
Konkretes Beispiel. Moderator: „Hier ist Radio XY, am Telefon Peer aus Z. Peer, Du hattest ein glückliches Händchen und gewinnst 100 Euro! In der nächsten Stunde ist unser Gewinnsong dann „Maneater“ von Nelly Furtado…“
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Solche Beispiele könnte ich zigfach auflisten. Moderatoren, die selbst so dermaßen in ihrem eigenen Saft schmoren, dass sie vergessen, dass man immer neue Hörer hat und dass unsere Hörer nicht Tag und Nacht am Radio kleben und wie selbstverständlich den Modus unserer aktuellen Major Promotion runterbeten können. Egal, um welches Gewinnspiel es sich dreht und egal, zu welchem Zeitpunkt der Hörer einschaltet: die Promotion sollte immer und jedes Mal in ein, zwei Sätzen nachvollziehbar erklärt werden. Bei obigem Beispiel klänge das so: „Hier ist Radio XY, bei uns gewinnen Sie stündlich 100 Euro mit unserem Hunni- Hits. Gerade ist der Hunni- Hit dieser Stunde gelaufen, Rihanna mit „Don’t Stop The Music“. Hallo Peer aus Z…“ Das dauert genau 10 Sekunden länger als das obige Beispiel, macht aber alles, was danach passiert für jeden Hörer 100% nachvollziehbar. Gerade bei Promotions wird der Fehler häufig gemacht: nur weil wir Radiomacher die Aktion in- und auswendig kennen, weiß der Hörer noch lange nicht, wie die Promotion genau funktioniert und ein neuer Hörer hat erst recht keine Ahnung, warum das auf dem Sender passiert, was er gerade hört. Für neue Hörer sind Promotion- Pay- Offs, in denen die Promotion nicht in ein, zwei Sätzen kurz erklärt wird, schlicht nicht nachvollziehbar. Der Hörer versteht nur „Bahnhof“. Generell wird bei Major Promotions zu schnell vorausgesetzt, dass alle Hörer Bescheid wissen, worum es geht, wie die Promotion funktioniert und wann und wie man gewinnen kann. Möglicherweise nehmen wir Radiomacher uns an dieser Stelle zu wichtig oder sind manchmal auch nicht genau genug, was das Vorbereiten von Teasings oder Pay Offs von Promotions betrifft.
Kürzlich bei einem anderen Sender gehört: „Hier ist Radio AB und wir schalten jetzt wieder zu Peter Meyer…“. Peter Meyer: „Ja, hier grade ein Riesentrubel auf dem Spielfeld. Offensichtlich hat sich ein Spieler verletzt…“ auch hier verstehe ich gar nichts. Wer ist Peter Meyer, wohin schaltet der Sender und warum ist das jetzt gerade wichtig? Ein Satz mehr und ich hätte dem Break folgen können. „Hier ist Ihr Freitagabend auf Radio AB mit der Eishockey Show. Und wie immer, wenn unsere Jungs vom EC ein Heimspiel haben, schalten wir ein Mal pro halbe Stunde in’s XY Stadion, um die Ergebnisse zu hören. Vor Ort ist unser Sportreporter Peter Meyer“.
Ich bin auch der Meinung, dass wir durch unseren Beruf viel näher an der Welt des Showgeschäftes dran sind, als unsere Hörer und dass wir auch Künstler- Namen und – Geschichten für unsere Hörer mit einfachen Mitteln nachvollziehbar machen müssen. Keine TV Nachrichtensendung würde eine Meldung beginnen mit den Worten „George W. Bush hat heute…“ Überall hören Sie: „Der amerikanische Präsident George W. Bush….“ Keine Zeitung beginnt eine Meldung mit „Angela Merkel ruft auf…“ Die Zeitungen schreiben stattdessen „Bundeskanzlerin Angela Merkel“ oder „Schauspieler Hugh Grant“. Wir aber steigen in bunte Meldungen ein mit den Worten „Heather Mills wurde in New York gesehen, wie sie ….“ Gehen Sie mal auf die Straße und fragen Sie die Leute, also Ihre Hörer „Wer ist Heather Mills?“. Ich bezweifle, dass die Antwort mehrheitlich richtig ist. Warum steigen wir nicht ein mit „Heather Mills, die Noch- Ehefrau von Ex Beatle Paul Mc Cartney…“. Damit machen wir die Meldung nachvollziehbarer und helfen den Hörern, ein Bild von der Person zu bekommen, über die wir sprechen. Natürlich kann man als Moderator eines Musiksenders davon ausgehen, dass unsere Hörer mit den Namen „Robbie Williams“ oder „Madonna“ etwas anfangen können. Aber wenn Sie vom Unterhaltsstreit von Mel B. mit Eddie Murphy sprechen, werden sicher schon jede Menge Hörer Schwierigkeiten haben, mit dem Namen Mel B. jemanden zu assoziieren. Besser: „Das dunkelhaarige Ex- und Jetzt- Wieder- Spice Girl Mel B. hat Schauspieler Eddie Murphy auf 100.000 Pfund Unterhalt pro Monat verklagt“.
Wer an dieser Stelle bereits voraussetzt, dass nun alle Hörer im Bilde sind, weil jeder weiß, dass Mel B. ein Kind von Murphy hat und dass dessen Vaterschaft erst per Test nachgewiesen werde musste, weil Murphy diese zunächst nicht anerkennen wollte, der irrt meiner Meinung nach schon wieder. Ich glaube, dass wir Radiomacher bei solchen Geschichten in einer komplett anderen Welt leben, als unsere Hörer und dass wir viel zu viel voraussetzen. Das wiederum führt sehr oft dazu, dass wir Geschichten so erzählen, dass sie für den Hörer nicht 100% nachvollziehbar sind. Wenn wir glauben, dass die wesentlichen Details jedem bekannt sind, irren wir sehr oft. Manchmal ist es nur ein Satz mehr, der dafür sorgt, dass die Geschichte komplett und damit für jeden Hörer komplett verständlich ist.
Der nächste Punkt, bei dem Moderatoren oft zu viel Wissen beim Hörer voraussetzen und damit oft nicht nachvollziehbar sind, ist ihre eigene Personality. Natürlich gibt es Moderatoren, die seit Jahren beim selben Sender zur selben Zeit on air sind und die nichts mehr zu ihrer Person erklären müssen, keine Frage! Das gilt aber nur für eine kleine Minderheit.
Kürzlich hörte ich auf einem Sender ein neues Moderatorenduo mit folgendem Dialog (wohlgemerkt in einer der ersten Sendungen dieses Duos auf eben diesem Sender): Moderator 1 sagt „…und ich hatte keine Chance, diesen Riesensack Erde wieder aus meinem Kofferraum rauszuhieven, geschweige denn, ihn in meinen Garten zu transportieren.“ Moderator 2 lacht hämisch. Moderator 1: „Ja, Du lachst. Ich weiß, Du hättest das Ding mit einer Hand lässig reingetragen“. Den Dialog kann man so stehen lassen. Sicher. Richtig nachvollziehen kann ich ihn als Hörer aber erst, wenn ich folgende Infos habe: Moderator 1 ist nur 1 Meter 65 groß, hasst Sport und ist eher schmal gebaut. Moderator 2 ist 1 Meter 90 groß, geht dreimal die Woche in’s Fitnessstudio, stemmt Hanteln und hat ein echtes Bodybuilderkreuz. Dabei hätten zwei kurze Sätze dem Hörer geholfen, sich ein Bild von den beiden Protagonisten zu machen und den Moderatoren hätten zwei Sätze geholfen, einige Persönlichkeitsmerkmale zu transportieren und für den Hörer transparenter zu werden. Beispiel: „und ich mit mein 1 Meter 65 und nicht vorhandenen Arm- Muckis hatte keine Chance…. Ja, Du lachst. Du rennst auch dreimal die Woche ins Fitness- Studio und hast ein Kreuz wie Schwarzenegger“.
Sehr beliebt beim öffentlich rechtlichen Rundfunk: Rubriken, die voraussetzen, dass man weiß, worum es geht oder monothematische Sendungen, in denen mir ein mal zu Beginn der Stunde das Thema gesagt wird und dann vorausgesetzt wird, dass ich schon weiß, worum es geht. Oder mehrteilige Interview, bei denen im zweiten Teil vorausgesetzt wird, dass man den ersten Teil auch gehört hat. Ist das Selbstverliebtheit? Oder gibt es immer noch Radiomacher, die glauben, der Hörer richtet sein Leben nach einer Radiosendung und schaltet pünktlich jeden Samstagmorgen um 8 Uhr zu Beginn der monothematischen Sendung ein, um ihr bis zum Ende um 12 Uhr zu folgen?
Das gleiche gilt für Spezialsendungen wie Chartshows. Statt „Hier ist Radio XY und jetzt kommen wir zu Platz 12“ lieber ein halber Satz, der nachvollziehbar macht, worum es geht „Hier ist Radio XY mit den Top 30, Ihrer wöchentlichen Chartshow…“. Zumal eine Chartshow oft auch ein Formatbruch ist und deshalb erst recht erklärt werden muss.
Ob öffentlich-rechtliche oder privater, landesweiter oder lokaler Sender, eine Sache höre ich immer wieder: ein Moderator oder ein Moderatorenteam erzählt etwas, spielt den nächsten Song und nimmt im nächsten Break Bezug auf den Dialog bzw. den Inhalt des Breaks von vor vier Minuten ohne noch mal kurz zusammenzufassen, worum es geht. Während der vier Minuten, in denen der Song lief haben x neue Hörer eingeschaltet. Die verstehen wieder mal nur „Bahnhof“. Würde man vorangegangen Dialog in einem Satz zusammenfassen und DANN darauf Bezug nehmen, wären alle Hörer auf demselben Kenntnisstand und jeder hätte die Chance, die nun folgende Moderation zu verstehen.
Deshalb halte ich folgende Regeln für unerlässlich, weil ich glaube, dass wir unseren Hörern schuldig sind, dass sie immer nachvollziehen können, wovon wir sprechen und dass jeder Break in sich schlüssig sein muss:
- Promotions in jedem Break komplett nachvollziehbar in ein, zwei kurzen Sätzen erklären.
- Nie Bezug auf etwas Gesagtes nehmen, ohne den Inhalt dessen noch mal kurz zusammenzufassen
- Die Menschen, über die wir reden, mit einem Halbsatz oder einer Bezeichnung wie „Schauspielern“ „Popsänger“ „Werbeikone“ einführen.
- Sich selbst weniger wichtig nehmen und nicht grundsätzlich davon ausgehen, dass der Hörer unsere Persönlichkeitsmerkmale kennt.
- Bei monothematischen Sendungen oder mehrteiligen Interviews in jedem neuen Break in der Anmoderation das Thema noch mal kurz zusammenfassen und immer davon ausgehen, dass der Hörer den vorangegangenen Break nicht gehört hat.
Mit anderen Worten: immer und bei allem, was wir tun, NACHVOLLZIEHBAR sein.
Ihre (neuen) Hörer werden es Ihnen danken!
Ihre Yvonne Malak
Erschienen am 23. November 2007 auf RADIOSZENE
http://www.radioszene.de/news/myradio_mailbox_221107.htm