01.01.2013 –

Oder: weniger ist mehr! –

Sinnbefreites Dauergeclaime nervt den Hörer, schadet dem Sender und ist damit am Ende kontraproduktiv. Schade. Denn mit Maß und Sinn eingesetzte Claim- und Positionierungsaussagen erreichen ihr Ziel garantiert besser als Claim-Dauerberieselung nach dem Gießkannenprinzip.

Ein Claim ist ein Produktversprechen genau wie der BMW-Slogan „Freude am Fahren“ oder der Slogan für Brunch, „der rahmige Brotaufstrich“. Diese Slogans tun dasselbe, was ein Sender-Claim „tut“: Sie beschreiben das Produkt und benennen den Nutzen. Dabei gilt für Radio-Claims: Je exakter das Produkt beschrieben wird, desto besser! Das kann manchmal zu längeren Claims führen. Ich persönlich habe damit keinerlei Probleme, wenn diese langen Claims sinnvoll, maßvoll und an passenden Stellen eingesetzt werden. Der Erfolg von Sendern wie Radio Hamburg (Claim: „Mehr Vielfalt mit den Megahits der 90er, 2000er und dem Besten von heute“) oder BB Radio (Claim: „Mehr aktuelle Hits gemixt mit den besten 90ern und 2000ern, voll die Vielfalt“) beweist, dass es manchmal sogar wichtig sein kann, in einem etwas länger ausfallenden Claim das Produkt möglichst genau zu beschreiben – wie in den beiden genannten Beispielen mit Dekaden und dem USP Vielfalt.

Kontraproduktiv wird das Ganze, wenn Claims und Positionierungen in Moderationen ständig sinnbefreit aufgesagt und an den falschen Stellen eingesetzt werden. Oder Moderatoren nach dem Baukastenprinzip die immer wieder gleichen, statisch aufgebauten, vorsehbaren Positionierungen an den immer gleichen Moderationsplätzen nach immer demselben Prinzip runterbeten.

Was meine ich damit? Ein Beispiel für eine Stelle, an der ich persönlich einen Claim für nicht sinnvoll eingesetzt halte: „Guten Morgen, hier ist Ihre Hitantenne – die meiste Abwechslung mit den größten Hits der 90er, 2000er und dem Besten von heute. Es ist 7 Uhr 17 und damit Zeit für ein weiteres verrücktes Telefon. Vorher schauen wir aber erst mal auf das Wetter von heute“. Für mich hat ein Musikclaim vor einem langen Wortbreak nichts zu suchen. Und ich gehe noch weiter: Ein so langer Claim, dessen strategisches Ziel u.a. darin besteht, die Mischung zu promoten und damit auch den USP Abwechslung rüberzubringen, hat für mich auch bei der Anmoderation eines einzelnen Titels nichts zu suchen. Für meine Ohren und mein Verständnis von sinnvollem Einsetzen strategischer Claims in der Moderation ist es seltsam, auf den Ramp eines einzelnen Songs von der meisten Abwechslung zu sprechen. Ein Song ist doch keine Abwechslung? Und es gibt sicher viele andere Stellen, an denen dieser Claim sinnvoll eingesetzt werden könnte.

Ein Problem ist nach meiner Erfahrung, dass Moderatoren oft nicht ausreichend gebrieft und transparent genug informiert werden!

Also: Warum haben wir genau diesen Claim? Warum ist es so wichtig, ein Image für eine abwechslungsreiche Musikmischung aufzubauen? Was sind die strategisch wichtigsten Dekaden? Macht es vielleicht sogar Sinn, auf den Ramp eines aktuellen Hits nur den Claim-Bestandteil „das Beste von heute“ zu promoten, weil das sowieso gerade eine der wichtigsten Botschaften im Wettbewerb sein sollte? Ein Moderator, der den Sinn hinter dem Claim versteht und sich Gedanken über das sinnvolle strategische Verkaufen der Sender-USPs macht, ist das beste Marketing-Tool, das ein Sender haben kann. Besser als statische Elemente, die nicht – je nach Song und Sendeplatz – absolut abgestimmt beweisen können, dass der Sender wirklich Abwechslung in der Musik bietet oder die größten und besten aktuellen Hits spielt!

In der Moderation wird es für Ihre Hörer am besten, am meisten authentisch und am wenigsten nervend klingen, wenn Sie den Claim lieber etwas seltener einsetzen, dafür aber an Stellen, an denen er bewiesen wird. Bei einem Musikclaim also an einer Stelle, an der auch sofort durch entsprechende Musik bewiesen wird oder gerade durch einen entsprechenden Musicsell oder -teaser erklärt wurde, dass Ihr Sender „die meiste Abwechslung mit den größten Hits der 90er, 2000er und dem Besten von heute“ spielt. Meiner Meinung nach wirkt ein so eingesetzter Claim am besten. Lieber seltener und sinnvoll claimen, als öfter und stellenweise „sinnbefreit“.

Ich jedenfalls bin ein Verfechter davon, Claims so einzusetzen, dass sie Sinn machen und wenn es sein muss, auch den Aufbau an die Moderation anzupassen bzw. den Claim zu verändern, sofern die entscheidenden Bausteine wie z.B. „die meiste Abwechslung“ gleich bleiben. Meine Devise: Lieber sinnvoll mit dem Claim arbeiten, als ihn zwangsweise statisch aufzusagen. Wenn die Formulierung „… die größten Hits der 90er, 2000er und das Beste von heute – das ist die meiste Abwechslung bei Hitantenne XY“ besser zur Moderation passt, als der Ursprungsclaim, ist nichts dagegen einzuwenden – das Ziel wird ja erreicht.

Worum geht es eigentlich? Doch nicht darum, dass Hörer den Claim aufsagen können (es sei denn, Sie lassen Ihren Sender mit Claim in der MA/FAB abfragen!). BMW ist es wahrscheinlich ziemlich egal, ob der Käufer den Slogan „Freude am Fahren“ korrekt wiedergeben kann. Hauptsache, es kommt rüber, dass das Auto einfach Spaß auf der Straße macht. Wichtig ist, dass das Produkt es über Werbung und PR geschafft hat, die richtigen Produktimages zu kommunizieren und in den Köpfen der Käufer zu verankern. Genau darum geht es beim Radiomachen und beim Einsetzen eines Claims bzw. von Positionierungen: Images sollen kommuniziert und dauerhaft aufgebaut werden. Und das geht am besten an Stellen, an denen man sie beweisen kann! Und diese Stellen sinnvoll nutzen kann ein gut gebriefter Moderator besser als ein Element (mit Ausnahme eines gut gemachten Hookpromos).

Lieber den Claim einmal pro Stunde sinnvoll in der Moderation eingesetzt und an einer passenden Stelle bewiesen, dass er stimmt, als dreimal sinnbefreit aufgesagt.

Wenn ein Sender es schafft, an sieben Tage die Woche und an 365 Tagen im Jahr in jeder moderierten Stunde ein Mal eine Moderation zu haben, in der der Claim mit Sinn (Position), Leidenschaft (Ansprechhaltung) und Kreativität (Aufbau, Idee der Moderation) rüberkommt, hat er mehr erreicht als der „Nachbar“, der seinen Hörer seinen Claim vier Mal pro Stunde sinnfrei „um die Ohren ballert“ (natürlich gibt es immer Ausnahmen, die die Regeln bestätigen wie besondere Konkurrenzsituationen, Relaunches, etc.).

Umgekehrt höre ich aber auch oft Breaks, in denen es sich geradezu aufgedrängt hätte, den Claim einzusetzen, aber leider verpasst wird! Wenn ein Moderator z.B. drei Songs der nächsten halben Stunde im Showopener ankündigt oder den nach der Werbung folgenden Musicsweep teast, passt es oft, den Musikclaim in die Moderation so einzubauen, dass er den Musikteaser unterstreicht und damit die Positionierung beweist.

Ich persönlich finde den Claim als „Stempel“ nach einer Moderation sehr schön. Danone lässt ja auch erst mal erklären, was Actimel alles kann, um dann am Ende des Spots zusammenzufassen „Actimel aktiviert Abwehrkräfte“. Und die Waschmittelmarke meines Vertrauens beweist mir erst, dass sie meine Wäsche schont, um am Ende des Spots zu sagen: „Damit Ihre Wäsche lange in Form bleibt“.

Dasselbe Prinzip – lieber weniger aber sinnvoll – gilt auch für Morningshow- oder Infoclaims.

Wenn ich behaupte, „Wachwerden mit Hinz und Kunz macht Spaß“, macht es für mich auch nicht viel Sinn zu hören: „Guten Morgen 7 Uhr 5. Radio XY. Wachwerden macht Spaß mit Hinz und Kunz. Das Wetter heute….“ Für meinen Geschmack ist es schlüssiger und wirksamer, diesen Claim an einer Stelle einzusetzen, die gerade Spaß gemacht hat, zum Beispiel nach einer Comedy: „Ein neues verrücktes Telefon hören Sie morgen um 7 Uhr 15. Morgen rufen wir ihn einer Bank an und fragen, wie der perfekte Banküberfall funktioniert. Wachwerden macht Spaß mit Hinz und Kunz – jetzt mit Sommersound von Kate Yanai“.

Auch in Elementen finde ich einen sparsamen, aber zielgerichteten Claim Einsatz effektiver und auf Dauer wirksamer als das Gießkannenprinzip. Zumal man ja auch noch andere Images, USPs und Botschaften hat, die man kommunizieren und bewerben will! Und das alles gut und ausgewogen so hinzukriegen, dass alles Wichtige auch entsprechend beim Hörer „hängenbleibt“, ist sowieso schon schwer genug…

In diesem Sinne: Möge Ihnen 2013 alles, was Sie vorhaben, gut gelingen!

Ihre Yvonne Malak

Erschienen am 01. Januar 2013 auf www.radiowoche.de.