20.12.2006 –

Tipps für Feiertage und „ganz normale“ Sendungen –

Wenn man einem Aircheck anhört, an welchem Tag die entsprechende Show bei welchem Wetter für welche Zielgruppe in welchem Format gesendet wurde, hat der Moderator garantiert ein Händchen für die Befindlichkeiten des Tages, ein Gespür für die relevanten Themen seiner Zielgruppe und hat es geschafft, den Hörer in dessen Lebenssituation abzuholen.

Oft sind es nur ein paar kleine Worte, die mir als Hörer zeigen, dass dieser Moderator „bei mir“ ist. Wenn er mir „eine gute Fahrt in’s Wochenende“ wünscht, oder einen Song spielt, der mir hilft „bis zum Feierabend durchzuhalten“.

Tagesteilbezogenes und/oder nutzenorientiertes Moderieren ist in wenigen Worten in jeder Situation machbar, holt den Hörer in seiner Lebenswelt ab und wirkt – zumindest für meine Ohren – sympathisch. Außerdem gibt es dem Hörer das Gefühl: „Hey, ich weiß, was dich gerade stresst, wie du dich fühlst und was du brauchst“.

Tagesteilbezogen zu moderieren ist ebenso einfach und effizient wie nutzenorientiertes Moderieren. Werbung funktioniert nutzenorientiert („Diese Zahnpasta macht Ihre Zähne weißer“; „Dieses Waschmittel schont die Farben“), warum sollte Moderation dies nicht auch? Nutzenorientiert heißt: Sagen Sie Ihrem Hörer, was er davon hat, wenn er Ihren Sender hört! Dabei können Sie ihn gleich noch in seiner Lebenswelt Arbeit, Aufstehen, Feierabend oder Verkehrsstau abholen. Natürlich erwischen Sie nie alle Hörer mit einer Moderation wie „Genießen Sie die nächsten drei Hits am Stück von Shakira, der Bloodhound Gang und Kate Yanai, die machen gute Laune und danach ist der Feierabend auch schon wieder zehn Minuten näher“ (= zweimal Nutzen!). Aber diese Moderation ist in jedem Fall mehrheitsfähig (in einem Sender mit erwachsener Zielgruppe). Und diejenigen, die sie direkt „erwischt“ haben, haben das Gefühl persönlich angesprochen worden zu sein.

Natürlich ist es immer eine Gratwanderung, zu versuchen, situationsbezogen zu moderieren. Und manchmal geht es auch „daneben“ – zumindest für meine Ohren und mein Empfinden, waren diese Moderationen, die ich irgendwo in Deutschland gehört habe, „aufgesetzt“ und unnatürlich:
„….können Sie vom Frühstückstisch zum Kühlschrank tanzen…“ und „…nehmen Sie Ihren Schatz und kuscheln Sie `ne Runde“. Ebenfalls unpassend finde ich Aufforderungen wie: „Trinken Sie erst mal nen Schluck Kaffee“ oder Unterstellungen wie „wenn Ihr Chef nervt…“. Also erstens, entscheide ich selbst, wann ich Kaffee trinke, zweitens tanze ich nicht zwischen Kühlschrank und Frühstückstisch, drittens ist mein Chef nett und viertens hab ich auch keinen Schatz zum Kuscheln parat.

Ich empfehle Moderatoren in solchen Situationen: unterstellen Sie den Hörern nichts, z.B. dass der Chef nervt. Nehmen Sie naheliegende, mehrheitsfähige Beispiele aus der realen Lebenswelt der Hörer (Frühstücken, Autofahren, Arbeiten) und keine weit hergeholten, unrealistischen, holprigen Beispiele wie „Tanzen zwischen Frühstückstisch und Kühlschrank“.

Mehrheitsfähig sind alle Moderationen, die sich auf die Tagesteile bzw. Wochentage und naheliegende Tätigkeiten der Tageszeiten und Wochentage beziehen. Sicher wissen Sie das. Und dennoch wird es ganz oft vergessen. In Airchecks höre ich oft ganze Sendungen, die beispielsweise an einem Freitag produziert wurden, aber nicht auf die Vorfreude auf`s Wochenende eingehen. Dabei ist es oft nur ein Halbsatz zu Beginn des Breaks oder im Musicsell wie „Freitag Mittag kurz nach 12, Wochenende verschärft in Sicht….“ Oder „…in Richtung Wochenende mit einem Gute- Laune-80er von den Weather Girls“.

Ich finde, es ist eine Kunst, mit nichts als einem Musikplan, einem kreativen Kopf und vielleicht einigen produzierten Call Ins eine Show zu moderieren, die die Hörer begleitet, in deren Lebenswelt abholt und ihnen das Gefühl gibt, der Moderator ist bei ihnen. Das geht!

Was kann man tun, um das zu erreichen? Sich überlegen, welche Stichworte, Tätigkeiten, Befindlichkeiten, Gefühle zur jeweiligen Sendezeit passen, dabei auf Massenkompatibilität achten und diese einfach mit ein paar Worten in die Moderation einbauen.

Was passt z.B. zu Freitag Mittag? Gleich Wochenende, zwei freie Tage stehen vor der Tür, Wochenendeinkäufe, Freitagsstau, welches Wetter erwarten wir, Weihnachtsmarkt, etc. Aus diesen Stichworten, Ihrem Musikplan, evtl. einer Zeitung mit TV Programm und den wichtigsten Themen des Tages sowie ein paar Ausschnitten aus aufgezeichneten Hörertalks eine gelungene Sendung zu bauen – das macht für mich einen guten Moderator aus.

Gehen Sie an’s Telefon! Arbeiten Sie mit Ihren Hörern, stellen Sie gezielte Fragen, die zum Tagesteil, zum Tag passen, schneiden Sie zwei, drei Sätze raus, bauen Sie diese in einen Ramptalk ein. Fertig. Beispiel: „Hallo Andrea in Kleinkleckersdorf, Sie sitzen gerade mit Ihren Mann im Auto, wohin sind Sie auf dem Weg?“ „Zu meinen Eltern nach Großkleckersdorf“ SCHNITT „Da feiern wir Weihnachten mit der ganzen Familie, freu mich schon“. “Regnet’s in Kleinkleckersdorf auch grade?“ „Nö, hier ist es noch trocken“. „Für Sie und Ihre Familie ein wunderbares Weihnachtsfest und zur Einstimmung jetzt mit Grüßen nach Klein- und Großkleckersdorf ……“ Dauert ungefähr 25 Sekunden, schlägt mehrere Fliegen mit einer Klappe (Lokalkompetenz, Tagesbefindlichkeit, Musicsell) und klingt – zumindest für meine Ohren – besser und lebendiger als eine „bunte Meldung“ darüber, welche Christbaumkugel-Farben die Renner dieser Saison waren.

Auch für’s Office- Listening oder die Feierabendshow finde ich kurze Schnipsel aus Hörertalks eine geeignete Maßnahme. Und wenn man wirklich fleißig an`s Telefon geht, findet man sicher auch das eine oder andere Highlight, wie den Ur- Berliner Kranführer, der mich mal während meiner Vormittagssendung aus seinem Kranführerhaus hoch über dem Potsdamer Platz angerufen hat! Klasse Situation, Ur- Berliner Dialekt, flotter Spruch, spitze!

Diese Call Ins bringen Tempo und Lokalkompetenz in die Show, öffnen gleichzeitig „das Fenster nach draußen“ und schaffen damit eine Community.

Wenn es Ihnen dann noch gelingt, aus der aktuellen Tageszeitung die wichtigsten, massenkompatiblen Themen des Tages mit einem Satz in Ihre Moderationen einzubauen: perfekt! Beispiel: „Pünktlich zur Mehrwertsteuererhöhung wollen auch noch die Verkehrsbetriebe unserer Stadt zum 1.1. die Preise um 30 Cent erhöhen. Wie gut, dass die schönsten Dinge im Leben umsonst bleiben, wie z.B. unser Musikmix….“

Es klingt banal, aber die naheliegendsten, einfachsten Moderationen sind die effizientesten. Am besten noch verbunden mit einem Musicsell. Wenn man im Aircheck hört, dass Ihre Sendung am Samstag vor dem dritten Advent produziert wurde, es an diesem Tag regnete, die Geschäfte in Ihrer Stadt am Tag Ihrer Sendung bis 22 Uhr geöffnet hatten und Thomas Gottschalk die letzte „Wetten dass?“ Sendung des Jahresmoderiert hat, dann Hut ab!

Und außerdem: wer als Moderator nicht gerade das Glück hat, bei einem der großen landesweiten Sender mit vielen sendebegleitenden Redakteuren, Lineproducern und Produzenten zu arbeiten, die fleißig für die Sendung zuliefern, hat vom 23. Dezember bis zum 7. Januar sowie an den Wochenenden und Feiertagen in der Regel sowieso keine andere Chance, als seine Kreativität, ein paar Call Ins und die magere Ausbeute aus der Tageszeitung so clever in seine Musikverkaufe einzubauen, dass eine klasse Show daraus wird, oder?

Dabei wünsche ich Ihnen viel Spaß! Egal, an welchem Feier- oder Wochenendtag Sie Dienst haben!

Ihre Yvonne Malak

Zuerst veröffentlicht am 20.12.2006 bei RADIOSZENE:
http://www.radioszene.de/news/myradio_mailbox_201206.htm