04.04.2015 – Mobile Nutzung, Social Media und der Digitale Wandel bestimmen seit Jahren die Branchenveranstaltungen – auch die Radiodays Europe 2015 im März in Mailand. Während die Kollegen in den USA diese Themen bereits selbstverständlich in den Radioalltag integrieren und die Pflicht bestens beherrschen, machen wir hier zu Lande oft noch mittelmäßiges Radio. Dabei können wir uns das schon lange nicht mehr leisten. Ich bin überzeugt: es bleibt nur noch ein kleines Zeitfenster, um unsere Radiomarken zu stärken und deren Inhalt auf „State of the Art“ Niveau zu bringen – also „die Pflicht zu beherrschen“. Bald wird sich aber auch dieses Zeitfenster schließen und danach wird gelten: Survival of the fittest.

Die Zeit zwischen der MA 2015/II und 2016/ I bietet sich für eine Analyse des eigenes Programms im Vergleich mit dem Wettbewerb und eine anschließende Optimierung an!

Das Durchgehen aller folgenden Parameter zeigt Stärken, Schwächen, Chancen und Risiken und hilft, das eigene Programm kritisch zu überprüfen und im besten Fall optimal weiter zu entwickeln.

Parameter Programmanalyse
Parameter für eine eigene Programmanalyse sowie eine erste Marktübersicht können sein:

  • Musik bzw. Songs im Detail (Jahr, Sound, Anmutung, Tempo)
  • Qualität und USPs der Morgensendung
  • Botschaften der On Air Promotion
  • Gewinnspiele
  • Moderation allgemein
  • Menge, Qualität und Aufbereitung von Nachrichten und Service
  • Inhalte, regionale Kompetenz
  • Verhältnis Wort : Musik : Werbung
  • Gesamteindruck, Stärken, Schwächen

Musikanalyse – das entscheidende Kriterium.
Musikmonitoring – also das Beobachten und Auswerten der Musikstrategie aller Sender in einem Markt in Relation zum „eigenen“ Produkt – eignet sich zur Wettbewerbsanalyse genauso wie zum Ausloten einer eigenen besseren Marktposition.

Musikmonitoring Kriterien:

  • Auswahl der relevanten Sender für die Analyse
  • Auflistung aller gespielten Songs einer Woche durch entsprechende Programme
  • Kategorisierung aller Songs nach Jahr, Sound (und evtl. Tempo)
  • Auswertung nach Jahren, Sounds (und evtl. Tempo)
  • Einschätzen der „tragenden Sounds“ bzw. Dekaden des Wettbewerbs

Wenn alle Songs so erfasst und eingeordnet sind, ergibt sich von jedem Sender ein „Formatbild“ und man kann sehen, welcher Sender welche Titel innerhalb welcher Zeiträume wiederholt (Turnovers) und wie sich die aktuelle Hitrotation zusammensetzt bzw. welche Strategie dieser zugrunde liegt. Eine Auswertung nach Jahren und Sound hilft beim Identifizieren von Formatschwerpunkten der Wettbewerber.

Professionell agierende Sender in Wettbewerbsmärkten machen solche Musikanalysen regelmäßig zusätzlich zu ihrer Marktforschung und ihren Musiktests. Wenn man die Auswertungen quartalsweise miteinander vergleicht, sieht man eindrucksvoll, was beim Hören vielleicht gar nicht so auffällt. Zum Beispiel: Wettbewerber Eins hat in den letzten Monaten ganz auf den Einsatz von Songs aus den 80er-Jahren verzichtet und außerdem die Anzahl der 90er-Titel von zwei auf einen Song pro Stunde reduziert. Dafür spielt der Sender mehr aktuelle Hits, was dem Programm eine deutlich frischere Anmutung gibt. Wettbewerber Zwei rückt möglicherweise aus der Oldie-Nische langsam in Richtung der 80er-Jahre als tragendem Sound und spielt dafür keine Hits aus den 60ern mehr. All das hilft, den eigenen Sender im Markt zu justieren und zum Beispiel sein On Air Marketing anzupassen.

Morningshowanalyse – wo Wort den Unterschied macht
Wenn von Radio im Wettbewerb gesprochen wird, fällt häufig das Wort „Krieg“ – bleibt man in diesem Bild, sind vor allem zwei Waffen entscheidend für den strategischen Vorteil in der Schlacht: die Musik und die Morgensendung. Den maximal möglichen Marktanteil für ein Format erreicht man nur mit der optimalen Musik UND einer funktionierenden Morgensendung.

In Zukunft kommt der Morgensendung angesichts von Streamingdiensten und In Car Computern eine noch größere Bedeutung zu – die Menschen werden den Unterschied machen!

Morgenshowanalyse – Kriterien:

  • Charaktere, Charaktermerkmale, Identifikationsfaktoren
  • Themenauswahl und –aufbereitung, Abbildung aktueller Topthemen
  • Persönliche Themen/ Alltagsthemen, emotionale Aspekte
  • Relevanz der Themen
  • Anmutung, Ansprechhaltung
  • Qualität und Anzahl der Benchmarks
  • Längen
  • Spaßfaktor
  • Teasing
  • Positionierung in der Moderation und in Elementen
  • Nachrichten und Service (Themen, Format, Häufigkeit)
  • Uhren, Aufteilung der Themen, 30- Minuten Sweeps

Hier empfiehlt es sich, aus Sendungen zweier „normaler“ Werktage die einzelnen Kriterien analytisch aufzulisten. Als Vergleichsfaktor und als „motivierende Messlatte“ könnte ein Mitschnitt einer der großen Morgensendungen in Deutschland derselben Tage dienen. Durch diese Vorgehensweise ergeben sich eine Stärken- und Schwächenanalyse aller ausgewerteten Morgensendungen und mögliche Marktlücken oder Optimierungspotentiale. Allein das Auflisten und Vergleichen der ausgewählten Themen und deren Aufbereitung, das Fehlen von Alltagsthemen bei Wettbewerb Eins oder ausufernde Längen bei Wettbewerb Zwei können gute Anhaltspunkte für das Herausarbeiten eigener Stärken oder die Optimierung von Schwachstellen sein

Botschaften der On Air Promotion als wichtigstes Positionierungstool
Die Position eines Programms ist nicht nur eine Frage der Inhalte, sondern auch und vor allem dessen, was ein Sender in seinem Marketing on air, in seiner On Air Promotion kommuniziert. Allein aus den Botschaften, die in den Verpackungselementen kommuniziert werden und den Songs, die in Hookpromos verwendet werden, sowie an der Position der Hookpromos (also vor welcher Art und welcher Dekade von Songs diese eingeplant werden), erkennt man (normalerweise) die Strategie des Wettbewerbers. Hier sieht bzw. hört man Formatverschiebungen, erkennt Marktlücken und wird auf die eigenen Schwächen aufmerksam.

Professionelle Radiosender haben OAP Analysen als Standard ihrer Arbeit in einem Jahresplan festgelegt und führen diese zwei- bis viermal im durch – in etwa wie hier beschrieben.

Analyse On Air Promotion – Kriterien:

  • Aussage der Botschaften in Elementen
  • Aussage, Bestückung und Platzierung der Hookpromos
  • Aussage der OAP Botschaften in der Moderation
  • Verteilung der Botschaften in 30 bzw. 60 Minuten
  • Häufigkeit der einzelnen Botschaften pro Stunde
  • Rangliste der Botschaften
  • Qualität der Elemente
  • Sind die Elemente bemerkenswert oder Standard?
  • Passen Elemente, Moderation und Musik inhaltlich zusammen?
  • Werden Versprechen eingehalten?

All diese Parameter in eine OAP- Uhr zu übertragen und sich die strategische On Air Promotion aller Wettbewerber anzusehen, bildet den Markt hervorragend ab, zeigt eigene Schwächen, offenbart Angriffe der Mitbewerber, deren Stärken oder gar – um im Bild des „Kriegs“ zu bleiben – offene Flanken.

Ich kenne diese detaillierte analytische Vorgehensweise von vielen großen, erfolgreichen Sendern. Selbst landesweite Marktführer finden bei dieser Art der Analyse jede Menge Optimierungspotential und erledigen dann die Hausaufgaben. Hausaufgaben machen war zwar schon in der Schule langweilig, aber auch in der Schule hat Hausaufgaben machen meistens geholfen, um weiter zu kommen und später bei den wichtigen Prüfungen zu bestehen.

Teil II mit Vorschlägen zur Analyse von Gewinnspielen, Moderation und Inhalten dann im Mai.

Herzlichst,
Yvonne Malak

Erschienen am 01. April 2015 auf www.radiowoche.de.