02.01.2012 – Bei fast allen Radiostationen beginnen in diesen Tagen wieder die Aufsehen erregensten Gewinnspiele. Doch was bringen diese? Im Interview mit der radioWOCHE erklärt Yvonne Malak den “Sinn und Unsinn von Gewinnspielen“.

radioWOCHE: Frau Malak, alle Jahre wieder – pünktlich zum Beginn der MA im neuen Jahr – überschlagen sich die Sender wieder mit Gewinnspielen. Wir haben vor genau einem Jahr an dieser Stelle schon mal über dieses Thema gesprochen, heute möchte ich aber mal genau andersrum rangehen. Wann sind Gewinnspiele Unsinn oder gar schädlich?

Yvonne Malak: Es passiert mir oft, dass ich im Rahmen meiner Tätigkeit zu einem Sender komme, der mir ein wahnsinnig kreatives Gewinnspiel vorstellt und meine Meinung dazu hören will. Meine Standardfrage lautet dann: „Was wollen Sie mit diesem Spiel erreichen?“. Wenn der Befragte darauf keine wirklich schlüssige und strategisch oder wenigstens taktisch sinnvolle Antwort geben kann, ist das Gewinnspiel wahrscheinlich Unsinn. Und das passiert leider sehr oft.

radioWOCHE: Und welche Antworten sind für Sie schlüssig bzw. sinnvoll?

Yvonne Malak: Hier die wichtigsten:

  1. Antworten, die wichtige Images betreffen. „Ich will mit diesem Gewinnspiel erreichen, dass sich unser Image für unsere wichtigen Sounds bzw. Dekaden verstärkt“.
  2. Antworten, die schlüssig eine WHK Umwandlung begründen. „Dieses Gewinnspiel wird uns aufgrund des attraktiven Preises helfen, unsere Hörer im WHK (weitester Hörerkreis) in P1s umzuwandeln, weil wir dieses Spiel zu festen Zeiten spielen, für die auch der WHK Hörer immer wieder eine feste Verabredung im Programm findet“.
  3. Antworten, die ein realistisches Time Spent Listening beschreiben. Also: „Ich halte das Time Spent Listening für realistisch, da die Hörer oft nur wenige Minuten länger als sonst dranbleiben müssen, um zu gewinnen. Deshalb wird dieses Spiel helfen, unsere Hördauer etwas zu verlängern“.
  4. Antworten, die ein sinnvolles Hörerecycling erklären. „Wir haben eine starke Morgenshow aber einen schwachen Vormittag. Das Spiel wird uns helfen durch die beiden Gewinnchancen um kurz nach 7 und kurz nach 9 die Morgenshowhörer in den Vormittag zu schaufeln, oder wie wir sagen zu „recyceln“. Um es etwas kürzer zu machen: wenn eine Promotion hilft, Senderimages zu korrigieren bzw. verstärken, oder WHK Hörer in Stammhörer umzuwandeln oder wenn der Hörer etwas länger bzw. zu einem anderen Zeitpunkt als sonst hören muss, um zu gewinnen, macht ein Gewinnspiel Sinn.

radioWOCHE: Beim Thema WHK-Umwandlung sprechen Sie von attraktiven Preisen. Wann ist ein Preis attraktiv?

Yvonne Malak: Attraktiv sind immer hohe Geldpreise, für die sich auch der Zahnarzt nicht zu schade ist, anzurufen. Oder gar so hohe Geldpreise, dass sie das Leben des Gewinners verändern können, weil das Geld z.B. reicht, um das langersehnte Häuschen oder eine Eigentumswohnung anzuzahlen.

radioWOCHE: Das ist dann ja Hörerkauf.

Yvonne Malak: Stimmt. Und es funktioniert auch nur solange, solange das Gewinnspiel läuft. Ist es vorbei, neigen die Hörer dazu, wieder zu ihrem alten Lieblingssender zu wechseln. Es sei denn, das Gewinnspiel hatte einen Modus, bei dem die Moderatoren und die Promos etwas kommuniziert haben, das strategisch für den Sender wichtig ist und für Hörer inhaltlich attraktiv, wie z.B. eine unterhaltsame Morningshow oder ein wichtiges musikalisches Image wie z.B. „die meisten 80er“ oder „die besten aktuellen Hits“. Dann ist das Spiel nachhaltig, weil ich über etwas spreche, was für das Bild des Hörers vom Sender wichtig ist. Und wenn der Hörer gerne Hits aus den 80ern oder den aktuellen Charts hört, bewegt ihn das dazu, dem Sender auch über das Gewinnspiel hinaus treu zu bleiben. Dasselbe gilt, wenn es dem Sender gelingt, seine attraktive, unterhaltsame Morningshow über das Spiel zu promoten.

radioWOCHE: Unter Gewinnspielen mit Songs kann ich mir etwas vorstellen, aber nennen Sie doch bitte mal ein konkretes Beispiel für Gewinnspiele, die die Morgensendung positionieren?

Yvonne Malak: Radio Hamburg ist mit der Benchmark „Wer schlägt John“, die gelegentlich während der MA zu einem Spiel mit 5-stelliger Gewinnsumme umgewandelt wird, eine solch imagebildende Maßnahme für den Morgen über ein Gewinnspiel gelungen, oder BB Radio mit dem „BB Radio Geschlechtertest“, wo provokative Fragen wie „Wie viel Prozent aller Männer gucken regelmäßig heimlich Pornos?“ mit Spaß rübergebracht wurden und dazu beigetragen haben, die Charaktere der Morgensendung zu positionieren.

radioWOCHE: Noch mal zurück zu den attraktiven Preisen. Haben Sie nicht „Preise, die man nicht kaufen kann“ wie ein Meet and Greet mit z.B. Robbie Williams vergessen?

Yvonne Malak: Hab ich absichtlich nicht erwähnt. Wir hatten in den 90ern bei 104.6 RTL mal ein Gewinnspiel, da konnte man ein Meet and Greet mit Michael Jackson gewinnen – Das war wirklich fett. Ich erinnere mich, dass die Gewinnerin im entscheidenden Moment fast ohnmächtig geworden sein soll… oder bei Radio Teddy, dem Kinderradio für Berlin- Brandenburg, Kassel und Schwerin gab es mal ein Meet and Greet mit Miley Cyrus alias Hannah Montana zu gewinnen. Damit haben Sie bei einem solchen Sender mindestens 50% der Zielgruppe, die sich für diesen Preis interessiert. Aber bereits bei einem Meet and Greet mit Robbie Willams bezweifle ich stark, dass der Preis mehrheitsfähig ist. Im Gegenteil: die Mehrheit wird sich eher nicht dafür interessieren. So etwas mal als Image-Aktion in der Morgenshow zu machen: Super! Aber als Major Promotion, die in der MA wirklich etwas bewegen soll: eher ungeeignet. Oder was wäre IHNEN lieber: 10.000 Euro in bar oder ein Treffen mit Lady Gaga? Ich würde die 10.000 Euro bevorzugen!

radioWOCHE: Gibt es denn keine anderen wirklich attraktiven Preise außer hohen Geldsummen?

Yvonne Malak: Ja, kleine Geldsummen, die man häufig gewinnen kann! radioWOCHE: Schon wieder Geld? Yvonne Malak: Ja! Geld. Dank der modernen Telefonanlagen und natürlich unserer eigenen Sender-Researches sind wir ja seit vielen Jahren in der Lage, Anrufzahlen bzw. Teilnehmerzahlen zu messen und Gewinnspiele entsprechend zu evaluieren. Geld schlägt alles!

radioWOCHE: Da muss es doch Alternativen geben.

Yvonne Malak: Wenn Sie als Sender kein Bargeldbudget für Gewinnspiele haben, bemühen Sie sich um wirklich massenkompatible Gutscheine – das ist so gut wie Bargeld. Massenkompatibel ist ein Einkaufsgutschein einer Supermarktkette, das können fast 100% der Hörer immer brauchen. Bei einem Tankgutschein gehe ich auch noch mit. Das ist für jeden Autobesitzer so gut wie Bargeld.

radioWOCHE: Wann sind Gewinnspiele noch unsinnig?

Yvonne Malak: Wenn sie nur um des Spieles oder des Preises willen gemacht werden. Wenn sie keine festen Verabredungen enthalten. Wenn sie gegen wichtige Images arbeiten. Wenn sie zu provokativ sind…

radioWOCHE: Da muss ich einhaken. Provokativ ist doch prinzipiell erst mal gut, weil es Aufmerksamkeit schafft?!

Yvonne Malak: Es gibt natürlich immer wieder Gewinnspiele mit wirklich provokativen Modi oder Preisen, die durch Modus oder Preis eine immense Aufmerksamkeit in der Presse bzw. Fachpresse haben. Wir Radioleute nehmen das vielleicht als positive PR wahr, nach dem Motto „Every Promotion Is Promotion“. Ich persönlich fand einige dieser Aktionen so geschmacklos, dass ich überzeugt bin: auf Dauer geht diese Art von Promotion-Aktion nach hinten los! Davon abgesehen, dass so etwas möglicherweise – kann sein, dass ich mit dieser Einschätzung total danebenliege – auch nicht gerade eine Joberhaltende Maßnahme für die Entscheider ist…

radioWOCHE: Nennen Sie doch mal ein Beispiel!

Yvonne Malak: O.k., ich nehme mal ein altes Beispiel, das vor vielen Jahren mal in Berlin gelaufen ist: da konnten die Hörer entscheiden, ob der zu verlosende Porsche von einem Hörer gewonnen oder von einem Kran fallen gelassen werden und damit zerstört werden soll. Der Porsche wurde zerstört. Was bitte soll ich von einem solchen Sender denken? Welches Image befördert so eine Promotion und was bringt sie außer kurzfristiger Aufmerksamkeit?
In vielen Presserzeugnissen und Internetportalen konnte man in den letzten Monaten verfolgen, wie mehrere Sender Beerdigungen verlost haben. Wäre ich Senderchef, würde ich eher dafür sorgen mit Spaß, Unterhaltung und Musik in Verbindung gebracht zu werden, als mit einer Beerdigung. Möglicherweise hat das kurzfristig Aufmerksamkeit verschafft. Aber es hat auch ein Image gebildet. Ich habe das an anderer Stelle in der radioWOCHE schon mal gesagt: alles, was man On Air tut, beeinflusst das Sender-Image. Und im Fall von Schrott-Autos, Gedanken an den Tod oder anderen grenzwertigen Aktionen beeinflusst eine Promotion das Sender-Image tendenziell nicht unbedingt positiv…

radioWOCHE: Ich lerne: beim Einsatz von Gewinnspielen kann man sich als Sender also auch schaden?

Yvonne Malak: Klar! Es gibt noch viele andere Aspekte bei Gewinnspielen, mit denen man sich schadet: unklare Verabredungen, komplizierte Verabredungen, komplizierte Modi, Gewinnspiele die zu viel Platz im Programm brauchen und den Sender zu einem Gewinnspiel-Sender machen, Spiele, die dem Mitbewerber zugerechnet werden etc. Und natürlich gibt es unendlich viele andere Dinge, die man in Radioprogrammen hört und die einem Sender eher schaden als nützen. Aber darüber können wir ja zu einem anderen Zeitpunkt in diesem Jahr sprechen. Ich freue mich jedenfalls drauf!

radioWOCHE: Vielen Dank für das Interview.

Erschienen am 02. Januar 2012 auf www.radiowoche.de.