06.07.2021 – Einen schönen Text zu schreiben und eine Radio-Moderation vorzubereiten sind zwei ganz unterschiedliche Dinge. Zum Texten fürs Sprechen gibt es achtstündige Seminare, die eigentlich zu umfangreich für diese kleine Radiowoche-Kolumne sind… die wichtigsten Tricks und häufigsten Fehler möchte ich hier kurz zusammenfassen:

Ein schöner Text fürs Lesen darf aus langen Sätzen bzw. Relativsätzen gebildet sein, Fremdworte enthalten oder mit verschiedensten Synonymen arbeiten. Schöne Texte arbeiten mit dem Präteritum statt des einfachen Perfekts mit Hilfsverb.

Zweiteilige Prädikate dürfen in einem fürs Lesen geschriebenen Satz weit auseinanderstehen, Sätze fürs Lesen dürfen deutlich länger als 15 Worte sein. In einem Satz fürs Hören schadet all das der Verständlichkeit.

Beispiel: Der Berliner Ring ist ab sofort bis morgen früh 06 Uhr zwischen den Dreiecken Potsdam und Nuthetal wegen der Einrichtung einer neuen Baustelle gesperrt.

„ist gesperrt“ ist hier das zweiteilige Prädikat.

Besser fürs Hören: Der Berliner Ring ist gesperrt – und zwar zwischen Potsdam und Nuthetal. Bis 6 Uhr morgen früh wird dort eine neue Baustelle eingerichtet.

Hier ist das zweiteilige Prädikat zusammengezogen und das Genitivobjekt (wegen einer Baustelle) wird in einem ganz neuen Satz zum Subjekt.

Achte also darauf, dass Subjekt und Prädikat nah beieinanderstehen: „Der Berliner Ring ist gesperrt“, dass zweiteilige Verben nur durch wenige Worte getrennt sind („ist wegen Bauarbeiten gesperrt“ hat nur drei Worte zwischen ist und gesperrt – „ist bis morgen früh zwischen X und Y wegen der Einrichtung einer neuen Baustelle gesperrt“), und dass es manchmal besser ist, das Objekt in einem neuen Satz zum Subjekt zu machen.

(Der Berliner Ring ist gesperrt, bis morgen wird hier eine neue Baustelle eingerichtet).

Oder formuliere es noch einfacher! Die „Einrichtung einer neuen Baustelle“ entspricht „Bauarbeiten“, oder nicht?

Selbst die Kollegen von der schreibenden Zunft haben strenge Regeln, was die Länge von Sätzen betrifft! Laut dpa liegt die optimale Verständlichkeit bei neun Worten pro Satz – fürs Lesen… ein durchschnittlicher Satz in der BILD Zeitung enthält zwölf Worte! Funfact: 31 Worte – das ist die durchschnittliche Satzlänge im Dr. Faustus von Thomas Mann.

Einfaches Perfekt statt Präteritum
Moderieren heißt, so zu sprechen, wie die Menschen, die einem zuhören.

Statt „ich hörte mir gestern eine ganze Reihe neuer Songs an“ also „ich hab mir gestern eine Menge neuer Songs angehört“. Einfaches Perfekt statt Präteritum also.


Floskelalarm!

Vermeide Floskeln wie „die Pforten öffnen sich um…“, „als Preis winkt“, „für Unterhaltung ist gesorgt“, „das dürfen Sie nicht verpassen“. Oder würdest du so mit einem Freund sprechen? „Du, Lasse, das darfst du nicht verpassen, ein großes Open-Air-Festival findet am Freitag im Olympiastadion statt. Für Unterhaltung für Groß und Klein ist gesorgt. Die Pforten öffnen um 19 Uhr“.

Trick: Akustische Gedankenstriche und Doppelpunkte

Für bessere Verständlichkeit: arbeite mit (akustischen) Gedankenstrichen und Doppelpunkten. Beispiele:

So krass haben sich die Mietpreise in Berlin entwickelt: (Stimme bleibt oben, Pause) von gut sechs Euro auf über zehn Euro -– (Stimme bleibt oben, Pause) und das in nicht mal einem Jahrzehnt! (Stimme geht runter, Pause) Seit 2012 sind die Mieten massiv angestiegen – im Schnitt um über 50%.

In den letzten beiden Sätzen sind zwar schon eine ganze Menge Zahlen enthalten. Es könnten aber noch mehr sein. So lag der Mietpreis 2012 bei 6 Euro 12 Cent im Schnitt und liegt 2021 bei 10 Euro 13 Cent. Trick: auf- und abrunden.

Generell: nur so viele Zahlen wie nötig, aber so wenige wie möglich. Aber das ist ja ein ganz alter Hut, den du längst kennst.

Aktiv formulieren
Formuliere, wann immer es geht, aktiv und im Präsens.

Statt: Der Radfahrer trug zwar einen Helm, wurde aber schwer verletzt, als er von dem Raser bei einem Überholmanöver am Kudamm/ Ecke Schlüterstraße vom Rad gestoßen wird.

Besser: Der Raser macht Höhe Schlüterstraße ein Überholmanöver. Dabei rammt er einen Radfahrer. Das Rad kippt um, den Fahrer fällt auf den Gehsteig und verletzt sich dabei schwer – obwohl er einen Helm aufhat.

Hier: mehrere kurze Sätze, nur wenige Worte zwischen Subjekt und Prädikat, Gedankenstrich. Außerdem: aktiv und im Präsens formuliert.

Pausen und Punkte im Skript deutlich markieren

Weitere Tipps für dein Skript:

Schreib dir Punkte und Pausen deutlich ins Skript. Achte auf gut sichtbare Absätze.

Statt: Der Raser macht Höhe Schlüterstraße ein Überholmanöver. Dabei rammt er einen Radfahrer, das Rad kippt um, den Fahrer fällt auf den Gehsteig und verletzt sich dabei schwer, obwohl er einen Helm trug. Nach und nach scharen sich Dutzende Schaulustige um den Unfallort, aber keiner kümmert sich um den Verletzten, stattdessen holen Leute ihr Handy raus und filmen das Ganze bis endlich die Polizei nach so zehn Minuten kommt und dem Ganzen ein Ende machen will, was aber schwer ist, weil der Rettungswagen kaum durchkommt. Aber am Ende geht alles gut, der Radfahrer ist laut Polizei außer Lebensgefahr und wird auch keine schweren Verletzungen behalten.

Besser: Der Raser macht Höhe Schlüterstraße ein Überholmanöver. Dabei rammt er einen Radfahrer. Das Rad kippt um, den Fahrer fällt auf den Gehsteig und verletzt sich dabei schwer – obwohl er einen Helm trug.

ABSATZ/PAUSE

Nach und nach scharen sich Dutzende Schaulustige um den Unfallort –

aber keiner kümmert sich um den Verletzten!

Stattdessen holen Leute ihr Handy raus und filmen das Ganze…

Usw.

Ein optisch optimales Skript ist schon die halbe Miete! Das Ganze in kurzen Sätzen, die fürs Hören sinnvoll aufgebaut sind, möglichst aktiv formuliert – das sind ganz kleine Tricks, die gerade bei Anfängern viel bewirken können.

Nächsten Monat: warum Verneinungen keine gute Idee sind… oder besser: warum positives Formulieren die Verständlichkeit fördert.

Bis dahin: viel Spaß beim Skripten

Eure
Yvonne Malak

Erschienen am 06. Juli 2021 auf www.radiowoche.de.