01.09.2019 – DAB+, die Sender-Website, der eigene Alexa-Skill, die Auffindbarkeit bei Google Home, die neue Sender-App, der Radioplayer und natürlich UKW (immer noch mit 70% der hauptsächliche Nutzungsweg für Radio laut Digitalisierungsbericht 2018) – überall wollen und müssen Sender gefunden werden (wobei das Auffinden über Smartspeaker obendrein nicht immer in drei Worten kommuniziert ist…).
Dazu kommt die Kommunikation der Webstreams und weiterer Online Angebote wie Podcasts. Und das alles neben den üblichen zu promotenden Basis-USPs wie Musikmischung, Morgenshow, Major Promotion, Lokalkompetenz…
Wozu führt das, wenn ein Sender kein Konzept dafür hat? Dazu, dass dieser Sender seinen Hörern x Bälle zuwirft… (wie viele dieser „Bälle“ kann ein Hörer wohl „fangen“?). Und das in einer Zeit, in der die Aufmerksamkeitsspanne immer weiter sinkt (in der Generation Z liegt sie bei nur noch fünf Sekunden !!!) und Unternehmen sich eigentlich eher auf wenige eingängige Botschaften fokussieren sollten – ich liebe die H&M Werbung als positives Beispiel für fokussierte Werbung ….Sie wissen schon: „Kleid, € 19,95“
Normalerweise priorisieren professionelle Sender ihre OAP Botschaften in einem Ranking und sorgen dafür, dass dies eingehalten wird. Zum Beispiel:
Musikmischung ist Prio 1, wird also am häufigsten kommuniziert
Hits aus den 80ern sind Prio 2
Lustigste Morgensendung Prio 3
Major Prio 4
Usw.
Diese vier Produktmerkmale alleine wären innerhalb eines 30-Minuten-Hörsegments schon kaum an den Mann bzw. den Hörer zu bringen. Und dieser arme Hörer soll sich jetzt auch noch merken: den Befehl für den Alexa Skill, die Adresse der Senderwebsite, den Titel des neuesten Podcasts, dass der Sender über im DAB+ empfangbar ist, eine neue App hat oder alternativ über den Radioplayer gefunden werden kann, sowie dass es nun noch drei weitere Webstreams gibt…???
Ich habe kürzlich bei einer Marktanalyse einen Sender aufmerksam gehört, bei dem alle strategischen Botschaften, die den USP des Produktes kommunizieren, deutlich hinter der Kommunikation von Ausspielwegen und Onlineangeboten zurückstanden. Dieser Sender hat mir also zwar gesagt, wie ich ihn in meinem Smartspeaker finde, aber nicht, warum ich ihn überhaupt (wieder) einschalten soll.
Heißt: bevor ein Sender wie verrückt alle Ausspielwege neben den Basis-USPs zusätzlich kommuniziert, gilt es ein Konzept zu erstellen, ein Ranking zu bestimmen und Regeln für die Kommunikation aufzustellen.
Wie ist z.B. die Strategie innerhalb Ihres Bundeslandes? In Bayern, wo DAB+ von Landesmedienanstalt und Politik forciert wird, haben immerhin 31% der Hörer Zugang zu mindestens einem DAB+ Gerät – siehe FAB 2019, in Hessen nur 14%. – siehe „Digitalisierungsmonitor 2018“. Smartspeaker wurden laut AS&S Studie im Sommer 2018 von 13% der Bundesbürger regelmäßig genutzt – je nach Bundesland also in einer anderen Relation zu DAB+.
Ältere Hörer nutzen DAB+ stärker als jüngere, junge Leute nutzen dagegen eher die Simulcastangebote und Apps eines Senders als ältere: ZG 14-29 57% Onlinehörer, 50 plus dagegen nur 23,4% – siehe „Digitalisierungsmonitor“.
Ein CHR Produkt in Bayern müsste also der Kommunikation des Onlinestreams und der Sender-App mehr Gewicht geben als der Kommunikation der Auffindbarkeit in DAB+. Für ein Soft AC Produkt im selben Markt würde das Gegenteil gelten.
Außerdem zu berücksichtigen: einige Webstreams sind im Rahmen der Ausrichtung des Senders strategisch wichtiger als andere.
Überlegen Sie sich also:
Welche Strategie verfolgen wir als Sender bzw. Unternehmen? Was zahlt auf diese Strategie ein? Was schadet ihr (sollte z.B. ein Hitradio wirklich einen Classic-Rock-Stream promoten)?
Wollen Sie überhaupt andere Ausspielwege als die neue App oder die eigene Website promoten? Wenn ja: wie sind die Gegebenheiten im jeweiligen Bundesland (z.B. DAB+ Verbreitung)? Was sind für unsere Zielgruppe neben UKW die wichtigsten Ausspielwege?
Welcher Webstream ist strategisch überhaupt relevant für die Sender-Strategie?
Wenn Sie dann zu dem Ergebnis kommen, dass Sie Ihren Hörern doch mehr als drei, vier Bälle zuwerfen müssten, um sinnvoll die Sender-Strategie zu verfolgen und zu kommunizieren, dann trennen Sie die Botschaften wenigstens zeitlich! Wenn Sie drei strategisch sinnvolle Ideen für Majors haben, bringen Sie diese ja (hoffentlich) auch nicht parallel on air. Sondern nacheinander.
Erstellen Sie dann ein Ranking sowie einen zeitliche Abfolge für die gesamte Sender OAP inkl. OAP der Verbreitungswege und sonstiger Online Angebote. Aber vor allem: reduzieren Sie die Anzahl der Botschaften auf das Notwendigste.
Wie bei H&M…. Kleid: € 19, 99
Viel Erfolg dabei,
Ihre
Yvonne Malak
Erschienen am 01. September 2019 auf www.radiowoche.de.