01.02.2023 – Mehr als 10.000 Werbebotschaften jeden Tag, die um unsere Aufmerksamkeit und einen Platz in unseren Gehirnen buhlen. Im Schnitt über 300 Blicke täglich auf das Smartphone, die uns von allem anderen ablenken. Eine Aufmerksamkeitsspanne von nur noch 5 bis maximal 8 Sekunden, bis wir entscheiden, ob wir einer Botschaft überhaupt zuhören.
Das ist die Situation, in der wir als Radiomacher versuchen müssen, unsere Botschaften an die Frau und an den Mann zu bringen… Unsere Botschaften müssen also „sitzen“. Jede sinnlose Botschaft ist da eine verschenkte Chance, in den Gehirnen unserer Hörer einen Anker zu setzen und damit genaugenommen ein Ärgernis für den Hörer. Er schenkt uns schließlich seine wertvolle Zeit und will dafür etwas bekommen: einen Nutzen, einen Entertainment Moment, eine wichtige/nützliche Info.
Für die On Air Promotion, das On Air Marketing, bedeutet das: jedes Verpackungs-Element muss etwas erreichen, etwas bringen, dem Sender und dessen Botschaften nutzen. (Natürlich können Elemente neben dem Vermitteln einer Botschaft auch Transitions zwischen zwei Songs sein, eine Stimmung erzeugen, ein Sound-Image unterstreichen, die Showtreppe für eine Sendung sein und vieles mehr.)
Im einfachsten Fall geht es in Elementen um die Erinnerung des Sender-Namens bzw. darum, dem Hörer zu vermitteln, auf welchem Sender er gerade seinen Lieblingssong, diese relevante Info aus der Region oder diese supersympathische Moderatorin gehört hat.
Im Bereich On Air Marketing überlassen wir also nichts dem Zufall.
Oder sagen wir fast nichts… Denn im Eifer des Gefechts übersehen wir vielleicht doch ab und an, dass unsere Hörer mit einigen Elementen so gar nichts anfangen können…
Meine Top 3 der Flop-Elemente
Platz 3: Sinnlose Namenselemente
Kürzlich gehört: ein neuer Moderator auf der Nachmittagssendung, ein Nachwuchstalent. Was sagt dem Hörer da folgendes Element: „Antenne am Nachmittag mit André“. Bringt nichts, sagt nichts, bleibt nicht hängen. Ein verschenkter Platz. Auch bei vermeintlich bekannten Moderatoren halte ich diese reinen Namens-Elemente in der Regel für wenig effektiv. Jeder der regelmäßig mit Marktforschungen zu tun hat, weiß wie lange es dauert, bis ein Moderator eine relevante Bekanntheit hat. Auch wenn Moderatoren das nicht gerne hören: es gibt in Deutschland derzeit höchsten zwei Dutzend Moderatoren deren Name für etwas steht. Ein neuer Kollege, gerade frisch in einer Tagesschiene am Start oder eine neu zusammengestellte Morgenshow gehören garantiert nicht dazu.
Kürzlich gehört: „Die neue Antenne Morgenshow mit Mia und Xander – jeden Morgen von 5 bis 10“. Was soll das bringen? Warum soll ich die Sendung einschalten? Warum zum Teufel belästigst du, lieber Radiosender, mein Gehirn mit dieser sinnlosen Info? Warum soll ich das abspeichern? Hat ja keinen Nutzen für mich! Aus Sendersicht: warum von der Hauptbotschaft (Sendernamen) mit einer Nebenbotschaft (Moderatoren-Name) ablenken (es sei denn, du gehörst zu dem oben genannten zwei Dutzend)?
Anders wird ein Schuh daraus: „Neu bei Antenne am Morgen: Mia (Charakterisierender O-Ton) und Xander (charakterisierender O-Ton). Fast wie bei dir zuhause, nur mit noch mehr Spaß“. Hier enthält das Element einen Nutzen und durch die O-Töne in besten Fall einen Entertainment Moment oder hat Identifikationspotential zum Andocken (Lebenswelt der Hörer spiegeln).
Große Marken werben ja auch niemals alleine mit dem Produktnamen. Nehmen wir das iPad 10. Wie wirksam wäre die Botschaft: „Das neue iPad 10“. Sinnlos! Apple warb mit „Alleskönner, Zeichentalent, Wunderding“. Damit kann man deutlich mehr anfangen als mit: „das neue iPad 10“.
Aus gutem Grund werben die meisten großen Marken mit einem Nutzen für den Konsumenten:
Actimel – aktiviert Abwehrkräfte
BMW – Freude am Fahren
Audi – Vorsprung durch Technik
Haribo – macht Kinder froh und Erwachsene ebenso
Biorepair – putzt nicht nur was runter sondern auch was drauf
…
Ein sehr gutes Radiobeispiel: „Arno und die Morgencrew, Berlins lustigste Morgensendung“.
Warum diese Nutzenbeschreibung einer Show Sinn macht? Weil Menschen natürlich erstmal wissen wollen, was für sie drin ist, was sie von einem Produkt haben. Wenige Sätze werden in amerikanischen Büchern über Radiomachen und Moderation so oft gebraucht, wie die Ermahnung, denk an den Hörer, der wissen will: „What’s in it for me“.
Klar brauchen Elemente, die neben der ID noch einen Nutzen kommunizieren, auch etwas mehr Zeit. Die Alternative zu den längeren Elementen ist ganz easy: Unnütze Informationen weglassen. Dann eben nur ein kurzes Element mit dem Sendernamen. Dauert je nach Sender eine bis drei Sekunden und hilft bei der MA- Erinnerung.
Die Sender ID ist das einzige Element, das ohne Nutzen bzw. Beschreibung stehen darf: sie erfüllt einen Zweck! Hier geht es um reine Erinnerung und darum, dass wir nicht nach jedem Song mit einer Werbebotschaft um die Ecke kommen sollten. Sagen wir, eine Sender ID ist das kleinste Übel. Einverstanden? Darauf verzichten wollen/sollten wir nicht.
Platz 2: Reine Backseller
Damit meine ich Promos, die nur nach „hinten schauen“, also „alte“ Highlights wiederholen ohne weiter nach vorne zu arbeiten. „Und das haben Sie heute in der Antenne Morgenshow verpasst…“. Wie sinnvoll wäre ein Trailer auf den neuen Avatar Film, der Highlights aus dem alten zeigt („Das haben Sie in Avatar 1 verpasst“) und dann mit folgender Aussage schließt: „Avatar 2, die Fortsetzung, ab Donnerstag im Kino“.
Fast noch frustrierender für den Hörer sind Gewinnspiel-Backsell-Promos ohne Frontseller. Ausnahmen bestätigen die Regel. Die Ausnahme: „…hat unser geheimnisvolles Geräusch geknackt und 10.000 Euro gewonnen… DAS hier SFX… war (O-Ton) ‚Das Öffnen eines Tankverschlusses‘.“ Wer mitgeraten hat, für den hatte dieses Element noch einen Nutzen. Eine Ausnahme wäre auch ein Backseller mit Verweis auf einen Podcast o.ä. („Ihr habt verpasst…jetzt nachhören…“).
Reine „Selbstbeweihräucherung“ nach dem Motto „..hat gewonnen…“ ohne Chance für die Hörer ebenfalls zu den Gewinnern zu gehören, ist doch nur frustrierend, oder? Backseller haben per se nur ganz, ganz selten einen Nutzen für den Hörer. Deshalb machen sie am meisten Sinn in Kombi mit einem Frontseller.
Und hier Platz 1 der sinnlosen Elemente: Promos ohne Verabredung.
Vor allem Morgenshow-Promos. Was soll der Hörer mit folgendem Promo anfangen (dieses Promo ist sinngemäß – anderer Inhalt, selber Aufbau – genauso auf einem landesweiten „Vorzeigesender“ gelaufen): „Wie Sie garantiert im neuen Jahr eine Gehaltserhöhung bekommen – morgen früh in der Antenne Morgenshow ab 6“.
Solche Promos verärgern Hörer und haben am Ende eher einen negativen Effekt. Stell dir vor, du hörst dieses Promo und bist an dem geteasten Inhalt interessiert. Du schaltest die Antenne Morgenshow immer von 7 Uhr 35 bis 7 Uhr 55 in der Küche ein. Wegen des interessanten Themas hörst du am geteasten Tag aber schon im Bad ab 7 Uhr 20 diesen Sender.
Das Thema ist aber schon um 7 Uhr 5 gelaufen… oder kommt erst um 5 nach 8. Du hörst es jedenfalls nicht. Am nächsten Tag passiert dir etwas ähnliches mit einem angekündigten Gewinnspiel…Du bist sauer? Frustriert? Genervt?
Mit einer Verabredung hat der Hörer eine Orientierung. Wenn er weiß, dass er das Thema nicht hören kann, weil er da noch schläft, ist das auch nicht schlimm. Er hat jedenfalls gelernt, dass sein Lieblingssender Themen aus seiner Lebenswelt hat und dass diese Morgensendung offensichtlich viel mehr zu bieten hat als das, was er immer zwischen 7 Uhr 35 und 7 Uhr 55 hört. Solch ein Promo tut etwas für den Sender: es leistet Imageaufbau und gleichzeitig verärgert es niemanden.
Ich kann nicht nachvollziehen, warum Radiomacher glauben, dass Promos etwas ohne konkrete Verabredung ihrem Produkt nutzen. Es ist logisch nicht erklärbar. Denn passiert einem Hörer, der nach einem solchen Promo eine Sendung/einen Sender gezielt einschaltet einmal eine Enttäuschung, mag das kein Problem sein. Beim zweiten Mal wird es schon kritisch. Und wer glaubt, dass Hörer einem solchen Sender nach einer dritten Enttäuschung noch eine vierte Chance geben?
Vergleichbar wäre das mit einem TV Trailer auf einen spannenden Krimi und folgender „Nicht-Verabredung“: „Sehen Sie diesen Krimi am Samstag im Abendprogramm zwischen 18 und 24 Uhr“.
Kommerzielles Radio und damit Wettbewerb gibt es in Deutschland seit mehr als drei Jahrzehnten. Spätestens seit den 2020er-Jahren mit unzähligen neuen Playern, DAB+ kommt langsam in immer mehr Autoradios an, tausende Webradios und -streams wollen ein Stück vom Kuchen. Der Kampf um die Zeitbudgets und damit um die Aufmerksamkeit der Hörer befindet sich seit Jahren in einer extrem herausfordernden Dimension. Und die Challenge geht weiter!
Lasst sie uns annehmen,
Eure
Yvonne
Erschienen am 01. Februar 2023 auf www.radiowoche.de.