03.04.2017 – A 9, an einem Mittwoch zwischen 10 Uhr 30 und 13 Uhr 30
Moderatorin auf Sender A: „10 Uhr 40, am Mittwoch, endlich Bergfest! Und die zweite Hälfte der Arbeitswoche schaffen wir gemeinsam…“
Sender B um kurz nach 11 Uhr im Showopener: „Noch eine Stunde bis zur Mittagspause…“
Sender C um 12 Uhr: „Mahlzeit und eine schöne Mittagspause, freuen Sie sich aufs Mittagessen, wir liefern…“
Sender D zur selben Zeit: „Endlich Bergfest, die halbe Strecke auf dem Weg zum Wochenende ist geschafft“
Sender A eine Stunde später: „…so, nun sind die meisten wieder aus der Mittagspause zurück…“
Hörer in ihrer jeweiligen Lebenswelt abzuholen und die Befindlichkeiten des Tages widerzuspiegeln ist eine der Hauptaufgaben eines Moderators in einem Musik- und Unterhaltungsmedium. Keine Frage. Und ich bin ein großer Fan davon, in Moderationen und Musicsells kurz den Tagesteil abzubilden (die Betonung liegt auf „kurz“) und die Hörer in „ihrem“ Tagesteil direkt anzusprechen. Schon aus MA- taktischen Gründen (Sie wissen ja, dass die MA zuerst die Tätigkeiten im Tagesteil abfragt und dann erst den dabei gehörten Sender). Sich allerdings allein darauf zu beschränken, die Tage zum „Bergfest“ und zum Wochenende und die Stunden zur Mittagspause und zum Feierabend zu zählen, ist – sagen wir mal – sehr dünn und deutlich ausbaufähig. Aus mehreren Gründen:
Ich persönlich gehe z.B. sehr, sehr gerne zur Arbeit und zähle weder die Stunden bis zur Mittagspause, noch die bis zum Feierabend oder zum nächsten Freitag. Und ich bin überzeugt, dass eine ganze Menge anderer Menschen in Deutschland ihren Job ebenso lieben und gerne machen und sich mittwochs mit anderen Dingen beschäftigen als damit, dass nun die Hälfte der Arbeitswoche geschafft ist.
Die Mittagspausen/Bergfest/Feierabend/Freitags- Moderationen sind außerdem – wenn ein Break aus nichts anderem besteht – vorhersehbar und wenig originell. Ich höre schon die Einwände: „Aber solche Coaches und PDs wie du sind doch verantwortlich für den Einheitsbrei und die mangelnden Persönlichkeiten im Radio“. Mitnichten. Ein wirklich guter Moderator ist für mich jemand, der es schafft, in wenigen Worten die Lebenswelt der Hörer zu spiegeln, den Tag abzubilden und seine Hörer dabei täglich zu überraschen. Hans Blomberg von RTL hat nicht umsonst den Deutschen Radiopreis für die beste Sendung bekommen – er erfüllt genau das: Tagesteil spiegeln, Tag abbilden und Hörer überraschen. Und dabei ist kein Break länger als eine Minute (meistens sogar deutlich unter 30 Sekunden).
Der Weg dahin ist nicht sooo schwer: Augen und Ohren offenhalten, Zeitung lesen bzw. über seine Stadt/Region informiert sein und jeden Break gründlich vorbereiten. Klar, wenn man sich nicht vorbereitet und einfach drauflos moderiert, ist natürlich der Inhalt „gleich Mittagspause“ oder „Endlich wieder Bergfest“ sehr dankbar… Dabei gibt es viel mehr, was man – auch in kurzen Moderationen und Ramptalks – aus dem Leben der Hörer aufgreifen kann. Die Stadt klebt schon wieder voller Wahlplakate? Die Bäume zeigen das erste Grün? Der Spritpreis war heute Morgen plötzlich 10 Cent höher als 12 Stunden vorher? An der Dauerbaustelle in der City hat heute Früh wieder kein Mensch gearbeitet, aber alles war gesperrt? Die S- Bahn fährt nicht und mit Schienenersatzverkehr dauert alles dreimal so lang? Am Wochenende werden drei Großveranstaltungen den Verkehr in der City lahmlegen?
Es gibt unendliche Möglichkeiten, aktuell und tagesteilbezogen zu moderieren, ohne sich auf die üblichen Verdächtigen wie Bergfest, Mittagspause, Feierabend zu reduzieren.
Also: Augen und Ohren offenhalten! Und bitte nicht auf die nächste Kategorie an sinnlosen Inhalten ausweichen… die Tage des/der… Denn welche Relevanz haben der „Tag des Erdnussbutter und Marmeladen- Sandwiches (2.4.) “, der „zeichne einen Vogel Tag“ (8.4.) oder der „internationale Tag der Sicherheitsnadel“ (10.4.) für unser Leben? Bewegt das den Autofahrer, der sich am Morgen über den hohen Spritpreis ärgert? Hat das eine Bedeutung für das Leben der Mutter, die wegen der ausfallenden S- Bahn heute eine Stunde eher zur Arbeit los muss?
Eine Binsenweisheit aus meinem Volontariat trifft hier immer noch zu: die Themen liegen auf der Straße (- und stehen nicht im Kalender der sinnlosen Aktionstage).
Was tut also der kreative Moderator, um all diese Fallen zu umgehen?
- er hält Augen und Ohren offen
- er liest so viel wie möglich
- er spricht mit Menschen außerhalb unserer Branche, um zu erfahren, was diese beschäftigt
- er hört andere Moderatoren und sucht sich Vorbilder
Vor allem aber bereitet er jeden Break sorgfältig vor, denn immerhin schenken uns unsere Hörer etwas sehr wertvolles:
ihre Zeit!
In diesem Sinne: erfolgreiches Showprep!
Ihre
Yvonne Malak
Erschienen am 03. April 2017 auf www.radiowoche.de.