01.01.2015 – Eine emotionale Collage zum deutschen WM Sieg ist ein Hinhörer. Klar. Ein Interview mit dem Trainer des heimischen Fußballclubs zum Grund der gestrigen Niederlage mehrheitlich ein Abschaltgrund. Garantiert.

Für Sportthemen und deren Umsetzung gelten dieselben Kriterien wie für alle anderen Themen auch. Die entscheidende Frage für die Wahl eines Sportthemas lautet: „Ist dieses Thema um diese Uhrzeit an diesem Tag in der geplanten Machart und Länge interessant für mehr als die Hälfte unserer Hörer – auch diejenigen, die sich nicht für diese Sportart interessieren?“.

Man kann es drehen und wenden wie man will: für breite Unterhaltungsformate ist Sportberichterstattung nur bedingt geeignet. Die verschiedensten Radiomarktforschungsunternehmen haben diese Frage in unterschiedlichen Märkten in Deutschland, Österreich und der Schweiz gestellt und das Ergebnis war immer dasselbe: mit wenigen Ausnahmen ist Sport ein Thema für eine Minderheit.

Dabei ähneln sich die Ergebnisse der unterschiedlichen Institute nicht nur tendenziell sondern auch in absoluten Zahlen. Fußballberichterstattung z.B. interessiert in der Regel zwischen 20 und 30 Prozent der Nutzer eines musikdominierten Unterhaltungsformates. Mehr als zwei Drittel der Hörer dagegen sind außerhalb der Nachrichten und abseits bunter Geschichten nicht an Fußball interessiert.

Das Institut ifak hat im Auftrag der Bayrischen Landeszentrale für neue Medien (BLM) im Jahr 2012 eine Studie zu Inhalten im Radio durchgeführt und dabei sehr differenziert nach dem Interesse an unterschiedlichen Sportarten im Radio gefragt. Das Ergebnis zeigt ein genauso klares Bild wie oben beschrieben. Selbst für Erstligafußball interessieren such nur gut 30% der Hörer. 5% sind etwas interessiert. 63% sind gar nicht daran interessiert. Eishockey: 9% Zustimmung, 77% Ablehnung. Handball: 5% Zustimmung, 81% Ablehnung. Befragt wurden exakt 2906 Hörer in Bayern. Das ist durchaus repräsentativ.

Sport ist ein Minderheitenthema. Daran besteht kein Zweifel. Mit beliebigen Sportberichten und langatmigen Sportthemen schafft man einen Abschaltfaktor.

Natürlich gibt es Sportereignisse, die im Radio stattfinden müssen. Entscheidend ist hier einerseits die sorgfältige Auswahl der Themen, andererseits die Aufbereitung.

Die meisten Sportthemen können innerhalb der Nachrichten optimal abgebildet werden: kurz, ergebnisorientiert und eventuell mit O-Ton. Fußballthemen, die polarisieren (HSV vs. St. Pauli, 1.FCN vs. Spvgg Fürth, pro und contra Bayern München) sind für kurze Talks in der Morgensendung mit unterschiedlichen Positionen geeignet. Große Ereignisse mit viel Emotion werden perfekt über Soundcollagen ins Programm gebracht. Aktuelle wichtige (!) Fußballspiele relevanter (!) Vereine, abgebildet über ganz kurze Stimmungs- O-Töne und ohne spielerische Details, schaden sicher kaum, wenn sie in einem Rahmen unter 60 Sekunden Länge am Samstag- oder Sonntagnachmittag stattfinden.

Dieselben Überlegungen in Sachen Relevanz und Aufbereitung sollte man anstellen, wenn es um Kino geht! Jeder erwachsene Deutsche geht im Schnitt 1,69 mal im Jahr ins Kino. Er sieht also nicht mal zwei Filme im Jahr.

Blockbuster wie „Die Tribute von Panem“ kommen innerhalb eines Monats gerade mal auf 3 Millionen Zuschauer .„Monsieur Claude und seine Töchter“ ist der erfolgreichste Film 2014 mit 3,6 Millionen Zuschauern. In Deutschland leben mehr als 80 Millionen Menschen. „Godzilla“, „Spiderman“, „Die Mannschaft“ – jeweils nicht mal eine Million Besucher.

Und obwohl es vielleicht zehn Filme pro Jahr gibt, die es überhaupt schaffen, maximal jeden zehnten in der Zielgruppe ins Kino zu locken, berichten manche Sender jede Woche in epischer Breite und ohne Emotionen – stattdessen mit den Werbe-O-Tönen des Filmverleihs – über zwei bis drei neue Filme. Das sind im 104 bis 156 vorgestellte Filme pro Jahr. Nur weil das vor 30 Jahren mal jemand so erfunden hat, heißt das noch lange nicht, dass diese Form der Kinoberichterstattung heute noch jemanden hinter dem Ofen hervorlockt. Meistens finden diese Berichte auch noch nur zur besten Sendezeit statt… weil es schon immer so war…

Welche Themen auch immer durch die jeweils Verantwortlichen ins Programm gehoben werden – Hauptsache, sie können einen Haken hinter die großen drei Kriterien für Themen im einschaltquotenabhängigen Unterhaltungsradio machen:

Massenkompatibilität – Unterhaltungswert – Relevanz. Denn jeder Inhalt, den wir senden, konkurriert mit einem Besttestersong beim Wettbewerber.
Auch im neuen Jahr ;-)

In diesem Sinne:
Jetzt schon die besten Wünsche für alle Ihre guten Vorsätze!
Herzlich,
Yvonne Malak

Erschienen am 01. Januar 2015 auf www.radiowoche.de.