02.09.2013 – VON WOLFGANG SEEMANN –
MORNINGSHOWS Die morgendliche Primetime verspricht hohe Reichweiten. Der Erfolg von Morningshows hängt vom Moderator wie vom Mix aus Comedy, Musik und Service ab.
Gute Laune am Frühstückstisch
Wenn in Bayern mal wieder ein Extra-Feiertag ist, macht man sich bei RTL 104,6 in Berlin einen besonderen Spaß: Arno und seine Morningcrew klingeln frech einen „faulen Bazi“ aus dem Bett. Mit diesem „Volkssport“, wie ihn Morgenmoderator Arno Müller nennt, müssen die Bayern leben.
Umgekehrt profitieren die Bayern durchaus vom preußischen Humor: Denn bei Antenne Bayern läuft morgens der größte Exportschlager von RTL 104,6 – die Comedy „Der kleine Nils“, bei der das fünf Jahre alte pfiffige Kerlchen den Bayern die große, weite Welt erklärt.
Comedy ist ein unverzichtbarer Bestandteil einer jeden Morningshow im deutschen Radio. Humor und gute Musik sorgen stets für gute Laune. Doch: Das alleine reicht nicht. Elementar wichtig für den Erfolg einer Morningshow ist die Personality des Moderators. „Gute Musik auflegen können alle“, sagt John Ment, Morningman bei Radio Hamburg, „der Mensch fühlt sich gerne zu Hause, und dazu gehört einfach auch eine vertraute Stimme – ein Freund!“ Das heißt: Der Hörer gewöhnt sich an die Hobbys und Eigenheiten „seines“ Morningshow-Moderators. Das Wichtigste seid deshalb, so die Einschätzung von Ment, „dass die Personality unverstellt ist, natürlich, einfach echt und sympathisch – und den Hörer anspricht wie ein normaler Mensch mit gesundem Menschenverstand“.
Wer einen solchen Moderator in seiner Morningshow hat, kann sich glücklich schätzen, weiß auch Stephan Schmitter, Geschäftsfürer beim RTL Radio Center Berlin. „Arno Müller kommt bereits seit 21 Jahren über die Antenne zu unseren Hörern – er ist der Freund am Frühstückstisch“, schwärmt Schmitter, „er ist gewissermaßen Teil der Familie und eine derart vertraute Person, dass er den Familienmitgliedern gerne auch einmal einen Rat geben darf.“
Noch länger auf Sendung als Arno Müller ist Wolfgang Leikermoser, Morgenmoderator bei Antenne Bayern. Er macht den Job bereits seit 25 Jahren. Valerie Weber, Programmdirektorin und Geschäftsführerin des Senders, weiß, warum Leikermoser auch nach einem Vierteljahrhundert noch immer zieht: „Er ist ein sehr empathischer Mensch, er erspürt den Tag und seine Themen, wie er auch versucht, sich in seine Hörer hineinzuversetzen, die jeden Morgen mit ihm wach werden.“ Das setzt voraus, dass Leikermoser schon um fünf Uhr morgens alle Zeitungen gelesen und sich einen Überblick über die Hauptnachrichtenthemen verschafft hat. „Gleichwohl ist er nie belehrend oder besserwisserisch, sondern setzt sich als Freund buchstäblich bei mir auf die Bettkante“, preist Valerie Weber ihren Morningman.
Ein Morgenmoderator muss also das nötige Gespür besitzen, wie er seine Hörer am Morgen ansprechen kann. Es weiß, wie schwer es ist, montags aus dem Bett zu kommen, wenn am Sonntagabend noch mit Freunden gefeiert wurde.
Die vertraute Stimme des Morgenmoderators sorgt am Frühstückstisch ebenso für den „Gute-Laune-Effekt“ wie eine täglich wiederkehrende Comedy-Serie – beispielsweise das legendäre „Frühstück bei Stefanie“, das beim NDR 2 in fünf Jahren in mehr als 1000 Episoden über den Äther ging.
Moderatorentalente gesucht
Wie aber baut man solche Moderatoren auf? „Talente für die Morgensendung zu finden gehört zu einer der schwierigsten Aufgaben überhaupt“, sagt Yvonne Malak, Programmberaterin bei my radio in Berlin. Die Radioexpertin sucht fast ständig für Kunden Morgenshow-Anchors. Man müsse den gesamten deutschen Radiomarkt permanent scannen, um eine Idee zu bekommen, wer eventuell noch ein unentdecktes Talent sein könnte, berichtet Malak.
Aufbauen lassen sich derartige Talente auf zwei Arten. „Ein großer Sender kann es sich leisten, diese Leute erst mal zu kaufen, sie auf Randsendezeiten auszuprobieren und sie dort Experimente machen zu lassen“, sagt Malak. Kleinere Sender hingegen brauchen oft akut eine neue Morgensendung und gehen den klassischen Weg. Das heißt: die wesentlichen Charaktermerkmale der einzelnen Protagonisten festlegen, dazu maßgeschneiderte Themen und Aktionen finden, den Charakter der Show bestimmen. Dann senden, abhören, besprechen, korrigieren, brainstormen, neue Ideen on air bringen, wieder senden und so weiter. „Das ist oft ein harter, steiniger Weg mit hohem Frustpotenzial für die Moderatoren“, gibt die Radiostrategin zu bedenken.
Überdies muss eine Morgensendung charakteristische Elemente haben – Comedys oder andere unterhaltsame, wiederkehrende Serien, für die man den Sender jeden Morgen gerne wieder einschaltet. „Wirklich gute Comedy-Benchmarks garantieren ihren Hörern jeden Morgen zu einer verlässlichen Zeit Spaß und erfüllen damit das wichtigste Hörerbedürfnis am Morgen – das nach Unterhaltung“, verdeutlicht Yvonne Malak.
Mit der Comedy-Serie „Frühstück bei Stefanie“ ausgezeichnet mit dem deutschen Radiopreis 2011 – hatte der Norddeutsche Rundfunk eine solche Marke in der Morningshow von Holger Ponik und Ilka Petersen bei NDR 2. Doch mit dem Ausscheiden des Autors Harald Wehmeyer lief diese Sendung im Juni dieses Jahres aus. Der NDR wolle nun versuchen, eine neue, NDR-typische Geschichte zu entwickeln, verspricht Programmchef Torsten Engel. Schließlich habe man noch Wehmeyers Autorenpartner Andreas Altenburg weiterhin im Team. Doch: Ein neues Format zu realisieren braucht Zeit, das weiß Engel. „Frühstück bei Stefanie“ sei auch nicht mal eben „im Vorbeigehen“ entstanden. Seit Anfang August sendet NDR 2 nun vorerst ein „Best-of Steffi“.
Nun hofft Engel, dass auch die Neuausrichtung der NDR 2-Morningshow das Publikum begeistern wird. Allerdings rechnet er durchaus damit, dass es einige Hörer gibt, die NDR 2 in erster Linie wegen der täglich neuen Steffi-Folge gehört
haben – und dies jetzt nach dem Auslaufen der Serie nicht mehr oder seltener tun. Doch diese Hörer dürften wieder zurückkehren, wenn dann auch die neue Morningshow mit den bewährten Zutaten überzeugt: starke Moderatorenpersönlichkeit, charakteristische Comedy, reichlich lokale Infos und Services, Unterhaltung und Musik – und einfach gute Laune am Morgen.
Sie gelten als das wertvollste Reichweitenkapital ihrer Sender: Morningshow-Moderatoren wie Stefan Leikermoser (Antenne Bayern, oben), Michael Wirbitzky und Sascha Zeus (SWR2), Arno und die Morningcrew (RTL 104,6 Berlin) oder auch John Ment (Radio Hamburg, unten) sind in ihrem Sendegebiet echte Stars, die die Hörer in den Tag begleiten.
VON WOLFGANG SEEMANN | specials@wuv.de, Erschienen am 02. September 2013 in der Werben & Verkaufen 36/2013 s.62, Fotos: Stefan Maria Rother; Christian Zehe/kinderzehe.de; Unternehmen