01.04.2019 – „Storytelling“ ist seit einigen Jahren DAS Buzzword der Branche. Hier finden Sie eine kleine Anleitung für Aufbau und Umsetzung einer Story.
1. Denken Sie Geschichten vom Ende her
Das erste, was Sie kennen müssen, ist das Ende der Geschichte. Starten Sie nie in eine Geschichte, von der Sie nicht wissen, wie Sie sie beenden werden.
2. Beachten Sie die 8-Sekunden-Regel
Der amerikanische Psychiater Gary Small hat in einer seiner Studien herausgefunden, dass die Aufmerksamkeitsspanne der Menschen im digitalen Zeitalter drastisch gesunken ist. Hörer entscheiden innerhalb von acht Sekunden, ob sie ihre Aufmerksamkeit einer Geschichte widmen wollen. Der Einstieg in eine Geschichte muss demzufolge innerhalb von acht Sekunden neugierig machen. Kommen Sie also direkt zum Punkt und überlegen Sie sich eine gute Schlagzeile für den Einstieg.
Übrigens: in der Generation Z beträgt die Aufmerksamkeitsspanne nur fünf Sekunden…
3. Planen Sie den Spannungsbogen
Sie müssen genau wissen, wie Sie den Spannungsbogen aufbauen und – im Falle einer Moderation in der Morgenshow oder Doppelmoderation – ggf. gemeinsam im Team halten wollen.
4. Wenn Sie im Team moderieren: vermeiden Sie „Bauerntheater“
Übertreiben Sie das Hin und Her zwischen den Protagonisten nicht – unterbrechen Sie den Erzähler der Geschichte mit den wichtigen und richtigen Fragen. Ansonsten lassen Sie ihn reden. Kommentare kommen aus dem Hintergrund.
5. Bleiben Sie auf dem Weg zum Ziel
Wenn Sie bei einer Team-Moderation in der Zuhörerrolle sind: verkneifen Sie sich Fragen, die nicht direkt zum Thema gehören und auf einen anderen „Weg“ führen.
6. Im Präsens formulieren
Bringen Sie Geschichten in die Gegenwart. Formulieren Sie im Präsens. Was klingt besser: „als ich zum Bäcker gegangen bin und gerade die Straße überqueren wollte, kam von rechts dieser Radfahrer“ oder „ich gehe zum Bäcker, stehe an der Kreuzung und mache den ersten Schritt auf die Straße. Da kommt dieser Radfahrer ohne Licht auf mich zugerast. Ich springe wieder auf den Bürgersteig…“? Die Variante im Präsens klingt auf alle Fälle spannender!
7. Betonen Sie die entscheidenden Details
Überlegen Sie vorher, welches Detail die Geschichte interessanter macht. Im obigen Beispiel könnte das „dieser Radfahrer ganz in schwarz gekleidet mit einem schwarzen Helm auf einem schwarzen Mountainbike“ sein.
8. Setzen Sie das Stilmittel des Dialoges ein
Statt „und als ich ihn dann fragte, ob er mich überhaupt gesehen habe, antwortet er, er hätte seine Brille vergessen“ besser „ich frage ihn: ‚haben Sie mich überhaupt gesehen?’ – er sagt daraufhin ‚nö, hab meine Brille vergessen’“. Wenn Sie ein Talent zur Stimmimitation oder für Dialekte haben: noch besser! Nutzen Sie das unbedingt, das macht die Geschichte noch lebendiger!
9. Planen Sie die Auflösung
Überlegen Sie sich vorher genau, welches das auflösende Detail/ welcher der wichtigste Punkt, der Höhepunkt der Geschichte ist! Wo wird der Spannungsbogen aufgelöst? Wie arbeiten Sie darauf hin? Beschreiben Sie dieses Detail gut! Eventuell setzen Sie es in eine Relation („das Paar mit dem krassesten Größenunterschied in Berlin ist so unterschiedlich groß, dass SIE sich auf einen normal hohen Tisch stellen müsste, um gleich groß zu sein wie er – also auf einen Tisch, der einen dreiviertel Meter hoch ist“).
10. Halten Sie die Spannung bis zum Schluss
Achten Sie darauf, den Spannungsbogen zu halten und die Auflösung, den „Pay Off“ keinesfalls vorweg zu nehmen. Wenn Sie die Geschichte anfangen mit „hat mich ein Radfahrer nicht gesehen, weil er nicht nur im Dunkeln ohne Licht unterwegs war, sondern auch noch seine Brille vergessen hatte“ ist die Geschichte vorbei. Viele Geschichtenerzähler verderben ihre eigene Geschichte und Performance, indem sie den Höhepunkt, den „Pay Off“ zu früh setzen und die Geschichte zu früh auflösen.
Und jetzt viel Spaß beim Geschichten-Erzählen oder „neudeutsch“ Storytelling…
Viel Erfolg dabei
Ihre
Yvonne Malak
Erschienen am 01. April 2019 auf www.radiowoche.de.