01.11.2012 –

Wertvolle Tipps für Moderatoren:

Für Musik werden wir eingeschaltet, für Unterhaltung werden wir geliebt. Wenn wir Internetdienste wie Spotify und Anbieter wie Youtube auf Abstand halten und unsere Hörer auch weiterhin an das Medium Radio binden wollen, ist es unsere Pflicht, den Haupteinschaltgrund – die Musik – unterhaltsam zu verkaufen. Davon abgesehen, dass wir es dem Hörer schuldig sind, seine wertvolle Zeit mit mehr zu füllen, als mit langweiligen und austauschbaren Songansagen.

Musikverkaufen kann Spaß machen, unterhalten, informieren und natürlich helfen, geschickt die Senderstrategie bzw. wichtige musikalische USPs zu kommunizieren.

Abwechslungsreiches Musikverkaufen funktioniert über mindestens 10 verschiedene Herangehensweisen. Die ersten 5 habe ich Ihnen bereits vorgestellt, unter anderem nutzenorientiertes oder tagesteilbezogenes Musikverkaufen.
Hier sind die zweiten 5:

6) Aktuell

Für mich die Königsdisziplin beim Musikverkaufen: aktuelle Ereignisse mit kurzen Sätzen so in die Moderation einzubauen, dass man als Hörer das Gefühl hat, mehr zu bekommen, als nur langweilige und leere Songansagen. Musicsells verknüpft mit aktuellen Geschichten, Meldungen oder Ereignissen zeigen dem Hörer auch, dass wir bei ihm sind, bzw. wissen, was ihn beschäftigt oder worüber an seinem Arbeitsplatz geredet wird. Wichtig bei dieser Form der Moderation ist erstens eine gute Auswahl der Geschichten – nicht jede eignet sich dafür – und ein sehr guter Dreh zur Musik. Sobald dieser Dreh bzw. der Übergang von der Geschichte zur Musik „krampfig“ wird, zu viele Schleifen macht oder zu weit hergeholt wirkt, würde ich im Zweifel die ganze Geschichte weglassen. Musicsells verknüpft mit aktuellen Ereignissen müssen „leicht“ klingen, so wie eben mal locker aus dem Ärmel geschüttelt. In jedem Fall ist es für mich ein Teil des Showprep, alle Quellen vor der Sendung nach relevanten aktuellen Geschichten aus der Lebenswelt der Hörer zu durchforsten, die sich in einen Musicsell einbauen lassen.

7) Regional

Es gibt X Möglichkeiten, beim Verkaufen eines Hits aus den USA oder GB die eigene Region widerzuspiegeln! Man kann Musicsells mit einem regionalen Ereignis oder einer Veranstaltung im Sendegebiet verknüpfen. Man kann Ortsmarken einbauen oder Firmen und Teams nennen, die bei Tätigkeit Y in der X-Straße in Z Ihren Sender hören. Solche Kleinigkeiten erzeugen genauso viel Lokalkompetenz wie ein lokaler Beitrag, sind aber niemals ein Abschaltfaktor…

Auch kurze Telefontöne von Hörern, die uns gerade im Auto im Stau auf der A 9, im Coffeeshop in Charlottenburg oder in der Zahnarztpraxis am Kaiserdamm hören, eignen sich für regionale Moderationen.

8) Persönlich

Ein Moderator, der persönlich ist, ist transparent, bietet Möglichkeiten, sich mit ihm zu identifizieren, gibt dem Hörer eine Chance, sich mit ihm „anzufreunden“ und kann mit Geschichten dafür sorgen, dass er für etwas steht und dass man sich an ihn erinnert. Eine persönliche Geschichte zu einem Song, also ein persönlicher Musicsell schlägt mehrere Fliegen mit einer Klappe. Über Geschmack lässt sich zwar bekanntlich (nicht) streiten, aber ich habe mich köstlich amüsiert, als ich bei einem jungen Produkt in Mitteldeutschland kürzlich einen ca. Anfang 20-jährigen Moderator gehört habe, der mir einen Song seeehr persönlich verkaufte. Er teilte mit dem Hörer sein einschneidendes Erlebnis zu einem Hit aus der Mitte des letzten Jahrzehnts: er hat zu Rhythmus und Melodie des Songs seine Unschuld verloren. „Wer will das wissen?“, fragen Sie jetzt vielleicht. In jedem Fall hat mich diese (übrigens gut aufgebaute, sympathisch klingende) Moderation so beeindruckt, dass ich sie mir gemerkt habe und dass ich mich an diesen Moderator erinnern werde. Ich habe dabei geschmunzelt, verbinde demzufolge eine positive Emotion mit Moderator und Sender und werde bei der nächsten Fahrt durch Mitteldeutschland diesen Sender sicher wieder einschalten. Natürlich ist eine sehr persönliche Geschichte zu einem Song immer eine Gratwanderung und passt sicher nicht zu jedem Moderator. Für Tagesmoderatoren mit festen Sendeschienen, die sich über Jahre „in die Herzen der Hörer moderiert“ haben, funktionieren sie aber in jedem Fall besser als eine einfache Songansage.

9) Erinnerungs- bzw. Ereignis- basierte Musicsells

Erinnern Sie sich noch an den Sommer 2003 – diesen Jahrhundertsommer, in dem wir wochenlang bei fast 40 Grad im Schatten fast eingegangen sind? Definitiv eine massenkompatible Erinnerung… Und welche Songs liefen damals im Radio?

Musicsells mit Ereignissen oder Erinnerungen zu verknüpfen, funktioniert natürlich vor allem bei Formaten, die in Sachen Dekaden etwas breiter angelegt sind. Aber auch zu „jungen“ Ereignissen wie der letzten Fußball-EM gab es Songs, die Erinnerungen wecken. Diese erinnerungs- bzw. ereignisbasierten Musicsells funktionieren natürlich auch ganz fantastisch mit einer regionalen Komponente wie der ersten U-Bahnlinie in Nürnberg oder in Berlin mit der Erinnerung an die
Eröffnung des neuen gigantischen Hauptstadtflughafens BER (kleiner Scherz…).

Für diesen einen Satz „in Nürnberg wurde damals die erste U-Bahnlinie der Stadt eröffnet, sie verlief übrigens vom Nordostbahnhof zum Plärrer, und auf den Walkmen, die wie in der U-Bahn trugen, lief in zu diesem Zeitpunkt…“ muss man schon etwas Zeit investieren, aber dafür hat man die Chance, eine Verbindung zu seinem Hörer herzustellen – und das ist es doch eigentlich, wofür wir am Mikrofon sitzen.

10) Musikverkaufen mit Spaß!

Die meisten meiner Workshops zu den Themen Moderation oder Morningshow enden mit der Folie „Hauptsache, du hast Spaß“. Spaß in der Ansprechhaltung rüberzubringen ist die halbe Miete! Denn das Schlimmste überhaupt sind uninspirierte, unmotivierte, undynamische Songansagen.  Und Spaß rüberzubringen ist das Mindeste, was wir dem Hörer schulden, der uns seine wertvolle Zeit schenkt!

Herzlichst,
Ihre Yvonne Malak

Erschienen am 01. November 2012 auf www.radiowoche.de.