30.09.2012 –
Musik immer wieder anders verkaufen – wertvolle Tipps für Moderatoren:
„Gleich Bruno Mars mit Count On Me nach Whitney Houston, How Will I Know auf…“. Wie langweilig! Leider sind in öffentlich-rechtlichen und privaten Radiostationen von Kiel bis Konstanz solche Ansagen gang und gäbe. Ich nenne das bewusst „Ansagen“; Moderationen sind das für meine Ohren nicht. Und dabei ist es ganz leicht, mehr aus jedem Musicsell zu machen.
Ist es nicht sogar unsere Pflicht, mehr aus der Ankündigung von Songs zu machen als das Aufzählen von Titeln und Interpreten – weil unsere Hörer mehr verdient haben und weil die Musik doch das ist, weswegen wir eingeschaltet werden? Es gibt kaum etwas, was sich mehr anbietet als Musicsells, um den Hörern den Nutzen, den USP unseres Senders charmant und nebenbei zu verkaufen bzw. zu erklären. Und: Musik ist emotional, hat eine Stimmung, eine Anmutung, etwas Besonderes, eine Geschichte. In jedem Fall ist Musik immer mehr als „gleich Lady Gaga nach Michael Jackson“.
Außerdem spielen wir doch nur die besten Songs, die beliebtesten Hits und geben Zigtausende Euros für Musiktests und Call Outs aus, um die richtige Musik für unsere Zielgruppe innerhalb unseres Wettbewerbs auszuwählen. Jede Menge Gründe, sich als Programmverantwortliche oder Moderatoren nicht mit der Ansage „Taio Cruz mit ‚Hangover’ auf …“ zufriedenzugeben.
Allen, die mehr wollen, helfen „Kreativ-Schubladen“. Ideen und Herangehensweisen in Form kleiner „Module“, die man je nach Bedarf benutzen, abändern und mit vor allem mit Leben füllen kann. Ich habe 10 Module gefunden, die auf dem Weg zum kreativen Musicsell eine Unterstützung sein können.
1) Tagesteilbezug
Als eine unserer Aufgaben in der Moderation verstehe ich, den Hörer zu begleiten und in seiner jeweiligen Tagesbefindlichkeit abzuholen. Ein Tagesteilbezug innerhalb eines Musicsells zeigt dem Hörer, dass wir wissen, in welcher Situation er sich gerade befindet, peppt den Musicsell auf und macht die Sendung weniger beliebig. Einen Musicsell mit einem kurzen Bezug auf den jeweiligen Tagesteil anzureichern, fordert nur ein wenig Kreativität und ist der einfachste Weg, mehr aus dem nächsten Ramp zu machen. Der Hörer fühlt sich angesprochen und die Sendung ist nicht mehr austauschbar. Zwei Fliegen mit einer Klappe!
2) Nutzen
Dem Hörer zu erklären, welchen Nutzen er davon hat, unseren Sender zu hören, macht nicht nur mehr aus einem Musicsell als nur eine Ansage des jeweiligen Titels und Interpreten, sondern ist vor allem eine sinnvolle Marketingbotschaft in der Moderation. Außerdem ist gerade Musik etwas, das man nutzenorientiert einsetzen und verkaufen kann (entspannen, Energie tanken, gute Laune bekommen). Und: Sender USPs wie lange Musikstrecken oder „mehr aktuelle Hits“ lassen sich besonders gut in nutzenorientierten Moderationen verkaufen. Eine nutzenorientierte Musikmoderation bekommt schnell einen zusätzlichen strategischen Wert für den Sender, wenn ein Sender USP darin eingebunden wird. Also: wieder zwei Fliegen mit einer Klappe geschlagen!
3) Claim beweisen
Aus meinem Eingangsbeispiel: „Gleich Bruno Mars mit Count On Me nach Whitney Houston, How Will I Know auf…“. lässt sich prima ein Musicsell machen, der den Sender Claim beweist. Wenn man dann den Songs noch die jeweilige Dekade „anhängt“ (gleich einer der Sommerhits 2012 nach einem 80er mit Energie…) eignet sich eine solche Ansage perfekt, daraus eine Moderation zu machen, die den Claim des Senders untermauert (…das sind Kulthits und die besten aktuellen Hits bei XY).
4) Musikinfos einbauen
Der einfachste Weg, Musikmoderationen aufzupeppen, aber auch der auf Dauer vorbereitungsintensivste. Ich mag diesen Weg am liebsten, weil er den Songs gerecht wird, weil er beweist, dass wir nur die beste Musik spielen, weil er Musikkompetenz zeigt und weil er den Hörern interessante Infos mitgeben kann. Ein einzelner Satz genügt meist und klingt „lässig aus dem Ärmel geschüttelt“. Man kann sagen: „gleich Gotye ‚Somebody that I used to know’ “, man kann aber auch sagen „gleich der Nummer 1 Hit von Gotye, der insgesamt fast ein ganzes Jahr lang in den deutschen Charts war“. Man kann sagen: „Whitney Houston mit ‚How Will I Know’“, man kann aber auch sagen „Whitney Houston mit einem von 7 Top Ten Hits in Folge“. Es kostet natürlich ein bisschen Mühe, das alles rauszufinden und immer wieder neue interessante Fakten zu recherchieren. Aber es klingt toll, macht die Musik größer, versorgt den Hörer mit Infos und verleiht Sender und Moderator Kompetenz für das, wofür wir eingeschaltet werden – die Musik.
5) Kreativität
Es gibt so viele wunderbare kreative Ideen, um die Musik anzuschieben, Spaß damit zu haben und den Hörern Spaß an und mit der Musik zu vermitteln. So wird Phil Collins zu dem Mann „mit mehr Hits in den Charts als Haaren auf dem Kopf“ oder Rihanna zu der Frau, die „Hits fast so schnell produziert wie der Lieblingsimbiss nebenan Döner mit scharfer Soße“. Mit Ideen, Soundeffekten, kleinen Produktionen, O-Tönen etc. lässt sich aus jeder einfachen Songansage eine Moderation mit Spaß-Faktor machen. Und Unterhaltung und Spaß verbreiten gehören ja auch zu unseren Aufgaben und sind USPs für die Radio eingeschaltet wird.
Beim Musik verkaufen Spaß verbreiten, in Songansagen Hörer in der aktuellen Lebensbefindlichkeit abholen, spannende Musikinfos einbauen – das alles kann kein mp3 Player und kein über Spotify oder andere Dienste angebotener Song. Das können nur wir – im Radio! Und das allein sollte es uns wert sein, mehr Zeit für Musicsells aufzuwenden und diese mit Leben zu füllen.
Es gibt noch (mindestens) 5 weitere Wege, Musicsells immer wieder neu und anders zu gestalten – nächsten Monat an dieser Stelle.
Ihre Yvonne Malak
Erschienen am 30. September 2012 auf www.radiowoche.de.