01.09. 2011 –

Was zeichnet die guten, über Jahre beständig erfolgreichen Programmchefs aus, die auch in der letzten MA ihre guten Einschaltquoten halten oder gar ausbauen konnten und die teils seit Jahren stabile Reichweiten verzeichnen bzw. die Marktführerschaft in ihrem Kernsendegebiet verteidigen können? Sie stellen ihr Programm regelmäßig in allen relevanten Punkten auf den Prüfstand und arbeiten immer und immer wieder an den Quoten- relevanten Basics.

Im Mai, Juni und Juli habe ich Ihnen an dieser Stelle Tipps für die Überprüfung und Optimierung von Musik, Format, Morningshow und On Air Promotion geben dürfen. Fehlt noch das Tagesprogramm. Hier Teil II der 10- Punkte Checklist OAP/ Tagesprogramm. Das Verkaufen der Strategie innerhalb des Tagesprogramms haben wir bereits gecheckt, bleiben also nur noch die wesentlichen Punkte in den Bereichen Programmierung und Moderation des Tagesprogramms:

6. Lange Musikstrecken während des Office- Listenings.

Spielen Sie tagsüber genug Musik? Es ist sooo einfach, tagsüber seine Hörer zufrieden zu stellen, wenn man von Sendern ausgeht, deren Hörer in der Masse erwachsen und berufstätig sind. Wirklich wichtig am Tag sind nicht originelle Benchmarks, inhaltlich wertvolle Beiträge oder ausschweifende Hintergrundberichte. Wichtig ist: viel Musik am Stück. Sie glauben mir nicht? Fragen Sie Ihre Hörer! Ist ja auch logisch. Wer hat während der Arbeit Zeit und Lust, mehr als einer kurzen Moderation aufmerksam zu folgen. Wer hört sich um 10 Uhr 47 zwischen Computer und Aktenordnern oder Pinsel und Farbeimer wirklich einen Hintergrundbericht über die letzte Stadtratsitzung an? Vermutlich ca. 0,2% Ihrer Hörer. Vielleicht auch 0,3%. Wenn zwei Sender dieselbe Marktposition mit demselben Format hätten, würde der den Kampf um das Office- Listening gewinnen, der verlässlich lange Musikstrecken spielt und tagsüber wenig Wort sendet.

Checken Sie, ob Sie tagsüber genügend Musik spielen.

7. Kampf der Beliebigkeit

Auch wenn viel Musik während des Arbeitstages ein wichtiges Auswahlkriterium für einen Radiosender ist, so darf das Wort dennoch nicht beliebig und austauschbar sein. In einem Aircheck sollte man innerhalb eines 30- Minuten- Sweeps (wenigstens aber innerhalb einer Stunde) raushören, zu welcher Tageszeit, an welchem Tag und in welcher Region die Sendung stattfand. Kleine Tagesaktualitäten kann man auch einbauen, ohne ewig zu reden oder einen 3- Minuten- Beitrag zu senden.

Checken Sie, ob Ihre Moderationen beliebig oder spezifisch sind.

8. Höreransprache

Geben Ihre Moderatoren Ihren Hörern das Gefühl, sie sind bei ihnen und wissen, wie ihre Tagesbefindlichkeit, ihre aktuelle Lebenssituation ist? Und sind diese Befindlichkeiten und tagesteilbezogenen Moderationen auch mehrheitsfähig? Gerade wenn es um tagesteilbezogene Moderationen geht, werden gerne Albernheiten moderiert, die den Moderator eher vom Hörer entfernen als beide näher zusammen zu bringen. Und: bringen Sie Ihren Moderatoren neben tagesteilbezogener Moderation auch nutzenorientierte Moderation nahe. Was ist der Nutzen für den Hörer, wenn er sich die nächsten 15 Minuten Musik anhört? Was ist der Nutzen für den Hörer, wenn er Ihren Sender bei der Arbeit einschaltet? Was ist der Nutzen für den Hörer, Ihren Sender auf dem Nachhauseweg von der Arbeit zu hören?

Checken Sie, ob Ihre Hörer gut „abgeholt“ werden – tagesteilbezogen und nutenorientiert.

9. Homogenität

Sind Moderation, Inhalt, Ansprache und Musik ein homogenes Produkt? Passt alles zusammen? Passen die Inhalte zur Zielgruppe? Passt die Ansprache zur Musik und zu Ihren Hörern? Gerade bei Sendern mit konservativeren Musikformaten höre ich oft Moderationen, die alt und spießig klingen und entsprechend langweilig und ohne Pep rüberkommen. Aber auch ein 60jähriger Hörer ist ein jung gebliebener Mensch, der durchaus mit einer fröhlichen Moderation durch den Tag begleitet werden möchte! Mit Grabesstimme zu moderieren und wie eingeschlafene Füße zu klingen, können wir ja den öffentlich-rechtlichen Wellen überlassen. Und die Beatles machen ja keine Trauermusik, ebenso wenig wie die Stones oder die Beach Boys. Ganz im Gegenteil. Im umgekehrten Fall (junger Sender mit brandaktueller Musik) frage ich mich oft, ob es wirklich notwendig ist, dass Moderatoren zwischen Pitbull, David Guetta und Rihanna klingen wie hysterische Teenager, die ständig einen Tick zu laut, zu hip, zu trashig moderieren.

Checken Sie, ob Musik und Moderation ein homogenes Produkt ergeben.
Checken Sie, ob angepeiltes Alter der Zielgruppe und gefühltes Alter der Moderatoren zusammenpassen.

10. Strategisches nach vorne arbeiten und dabei kreativ sein.

Arbeiten Ihre Moderatoren ausreichend nach vorne? Setzen sie immer wieder neue Einschaltimpulse? Haben Sie genügend (Musik- ) Elemente in Ihrem Tagesprogramm, die immer wieder neue Einschaltgründe sind? Wird alles teasenswerte geteast? Wird die Musik immer wieder neu, kreativ und anders verkauft? Finden Ihre Moderatoren für ein und dieselbe Benchmark immer wieder neue Drehs? Wird Lady Gaga auch beim 678. Mal noch kreativ anmoderiert? Das macht die wahren Profis aus: Standards, Tagesteilbezüge, Promotion- Botschaften und Major Artists, die immer und immer und immer wieder kehren, jedes Mal neu und anders zu verkaufen. Wer das kann, ist ein Moderator. Alles andere sind nur Ansager.

Natürlich gibt es noch viel mehr Kriterien, sein Tagesprogramm zu prüfen und nach vorne zu bringen.
Dazu dann aber ein anderes Mal.

Herzlichst,
Ihre Yvonne Malak

Erschienen am 01. September 2011 auf www.radiowoche.de.